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Tage der Liebe

„Keine Sorge. Ich bin an Unannehmlichkeiten gewöhnt“ lässt Reza Hajatpour seine Hauptfigur Darius Iqbal versichern. Und diese Unannehmlichkeiten haben es in sich. Es sind die „Schatten der Erinnerung“, wie auch der Untertitel des Romans lautet, an denen Iqbal zu zerbrechen droht…

Rezension von Ramona Ambs

Von seiner Geliebten wird der Exiliraner verlassen, als deren Bruder ausgerechnet von Iqbals Mullah-Bruder im Iran hingerichtet wird. Seither lebt Iqbal ohne zu leben. Er arbeitet als Dozent für Orientalistik in Heidelberg und durchstreift unruhig die Szenerien der Stadt. Die Menge der Zigaretten, die im Laufe des Romans verqualmt werden, müsste die Tabakindustrie glücklich machen. Es ist jedoch nicht nur der Rauch der Zigarretten, der sich durch die Zeilen in die eigene Nase schiebt, es ist der Duft von rotem Wein, der Dampf von heissem Kaffee und die Musik im traurigen Moll, die sich einem sinnlich und intensiv mit jedem Buchstaben aufdrängt. Und ebenso bedrängend ist die Traurigkeit von Iqbal.

Erst eine junge jüdische Studentin aus dem Iran vermag nach und nach seine Schockstarre aufzulösen. Die Begegnungen mit ihr sind zärtlich und verhalten. Unausgesprochen dabei bleibt die Ahnung des gleichen Schicksals. Die Entwurzelung. Die Fremdheit. Die Einsamkeit im Exil und dem, was man einst Heimat nannte. Alles in diesem Roman ist intensiv. Auch die Liebe, die sich ungefragt in Form einer Musikerin wieder in Iqbals Leben schleicht. Doch die Liebe hat immer die Angst vom Verlust mit im Gepäck. Und diese Liebe schüttet den Inhalt des Gepäcks sofort vor Iqbals Füße. Doch Iqbal entscheidet sich trotzdem für die Liebe. Mit Unannehmlichkeiten kennt er sich ja aus.

Es ist das schönste Buch, was ich seit langem gelesen habe. Und das intensivste. Und es ist eine Art stille Revolution, in Zeiten wie diesen, ein Buch zu lesen, in dem ein Iraner und eine Jüdin sich behutsam und in Freundschaft begegnen. Ein Buch, an dessen Ende die Liebe über die Angst siegt. Ein Buch von der Zärtlichkeit der Freundschaft.

Vor allem aber die poetische Sprache, in der die Natur zu einer „schönen, launischen und erotischen Frau“ wird und ein Händedruck „wie ein schwacher Vogel in der Hand liegt“ begleiten den Leser auch dann noch, wenn das Buch ausgelesen und unauffindbar im Bücherregal verschwunden ist. Und genau deshalb ist dieses Buch absolut lesenswert. Es ist ein Buch, das bleibt. Ein Buch, dass sich mit den Unannehmlichkeiten von Büchern auskennt …und einen deshalb nicht mehr verlässt.

Reza Hajatpour, Tage der Liebe. im Schatten der Erinnerung, Edition Hamouda, 217 S., Euro 10,00, Bestellen?

2 comments to Tage der Liebe

  • efem

    Eine verlockende, gut und anteilnehmend geschriebene Rezension, sie reizt zum sofortigen Kauf. Danke.
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    Irritierend ist nur: „ein Iraner und eine Jüdin“.
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    Wie ein Roter Faden zieht sich durch unzählige Texte immer wieder diese seltsame, unlogische Gleichsetzung von Nationalität und Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinschaft, zum Judentum:
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    „Deutsche und Juden“, „Juden und Russen“ usw. usf.
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    Bei „ZigeunerInnen“ läufts ebenso und lässt genauso ein Gefühl von Ausgrenzung oder/und auch Abschottung zurück. Und, sorry, erinnert an 12 Jahre, in denen derartiges Staatsräson war. – – –
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    Dabei wird uns gesagt, dass beide Hauptpersonen vom Iran stammen: „Exiliraner“ „junge jüdische Studentin aus dem Iran“.
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    Da anzunehmen steht, dass er Schiit(„Mullah-Bruder“) ist – wie wärs denn mit dieser Beschreibungsversion eines fiktiven Buches: „eine Israelin und ein Schiit“? Crazy? Ja.
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    In einer anderen Rezession ist das Zitierte nicht zu finden, wieso auch: http://www.hamouda.de/vorschau.html

  • efem

    Leute, denen Fremdwörter anscheinend fremd sind, täten vielleicht besser daran, sie zu meiden 🙂
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    Im letzen Satz meines vorstehenden  Kommentars muss es heißen: „Rezension“ statt „Rezession“.