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Zeruya Shalev:
Liebesleben
Berliner Taschenbuch Verlag 2004
Euro 9,90

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Zeruya Shalev:
Es gibt keinen
sicheren Ort mehr

"Manchmal", sagt Zeruya Shalev, "kommt es mir sehr banal vor und egozentrisch, mich mit Schreiben zu beschäftigen, während um mich herum so Fürchterliches passiert."

Das "Drama und Trauma" vom 11. September hat die Jerusalemer Schriftstellerin schockiert, natürlich. Aber schon viel länger und nicht minder bedrückend lastet auf ihr das Gefühl der Bedrohung in einer Region, in der fast täglich Menschen gewaltsam umkommen. Nach einem Jahr Intifada habe die Bevölkerung in Israel die Ansprüche an das, was "Leben" bedeuten könnte, stark heruntergeschraubt: "Wir wollen einfach bloß existieren. Wir wollen, dass unsere Kinder den nächsten Tag erleben." Kunst und Literatur sind zu Luxusgütern geworden. Das klingt wie ein Abgesang auf die Kultur "inmitten einer chaotischen Wirklichkeit". Aber Zeruya Shalev fasst den Begriff viel weiter: Auch der Frieden, für den Nahen Osten wieder einmal in weite Ferne gerückt, ist "Luxus", und selbst das "ganz normale Leben" ein schier unerschwingliches Gut. Ihr Alltag sei "voller Angst". "Jeden Tag beim Zubettgehen danke ich Gott, dass wir noch am Leben sind und dass nichts passiert ist. Und am Morgen ist wieder die gleiche Unsicherheit da, weil irgendwo immer irgendetwas passieren kann." Fast jede Nacht hört sie aus ihrer Wohnung in Jerusalem Schüsse. Nicht weit vom Haus entfernt ist eine Autobombe explodiert. "Unsere Kinder dürfen nicht einkaufen gehen, nicht Bus fahren. Sogar der Schulweg ist gefährlich." Das alles sei in der Dimension nicht mit dem Anschlag auf das World Trade Center vergleichbar. "Aber der Terror ist derselbe." Seit dem 11. September hat sie das Gefühl: Es gibt keinen einzigen sicheren Ort auf dieser Welt. "Vorher hatten wir so eine Illusion, dass es anderswo - nicht in Israel - besser sein könnte. Aber jetzt . . . Und es gibt keine Rückkehr zur Normalität. Das Unnormale ist normal geworden, das Unerwartete höchst gewärtig."

Seit der neuen Intifada sieht Shalev die israelischen Intellektuellen in einer tiefen Krise. "Viele von ihnen hatten sehr ausgefeilte und hoffnungsvolle Ideen, wie es in der Region weitergehen könnte. Und jetzt sehen sie sich zurückgeworfen auf die ganz elementaren Fragen. Es geht um das nackte Überleben." Schuld daran sei nicht der harte Kurs des amtierenden Premier Ariel Sharon, sondern Palästinenser-Chef Jassir Arafat, der 2000 in Camp David israelische Friedensangebote ausgeschlagen habe. Auch sie persönlich, sagt Zeruya Shalev, befinde sich in einer schwierigen Lage: "Ich habe an den Frieden geglaubt, habe geglaubt, dass die Palästinenser in Frieden mit uns leben wollen. Jetzt aber habe ich - wie viele in Israel - den Eindruck, sie wollen vielleicht gar keine Koexistenz in einem eigenen Staat, sondern sie wollen das ganze Land. Das können wir ihnen nicht geben. Wo sollen wir denn hin? Die Juden brauchen ein Land für sich. Wir können nicht vergessen, was vor 60 Jahren in Europa passiert ist. "

Als die 42-Jährige vor zehn Jahren zum ersten Mal nach Deutschland kam, fühlte sie sich unter der Last der Geschichte. "Allein die Sprache zu hören war etwas Schreckliches. Es gibt so viele deutsche Wörter, die für uns Juden mit furchtbaren Erinnerungen verbunden sind. Jeder Blick, jedes Wort war so bedeutungsschwer." Inzwischen kennt sie sehr viele Menschen hier. Einige seien zu engen Freunden geworden, mit denen sie sich so unterhalte wie mit Freunden daheim. "Als Israeli habe ich den Eindruck, die Deutschen sind ausgewogener und haben sehr viel mehr Verständnis für unsere Probleme als alle anderen Europäer. Deshalb fühle ich mich hier viel wohler als bei meinen ersten Besuchen." Und sie genießt die herzliche Aufnahme ihrer Bücher beim Publikum. "Darüber bin ich sehr glücklich."

Ihre Bücher, betont sie, handelten nicht von Politik, sondern von der menschlichen Seele. "Ich bin sehr stolz, dass so viele Seelen in Deutschland sich mit meiner treffen. Das ist eine Art von Begegnung, die mir Hoffnung gibt. Die Unterschiede zwischen uns sind nicht so groß, wie ich sie zu denken gewohnt war. Und das bedeutet doch auch: Wir können die schrecklichen Erinnerungen irgendwie überwinden und zueinander kommen - über die Brücke von Kultur, von Literatur. Wenn ich eine Art Hoffnung habe, dann ist dies das beste Stück davon."

 










 

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