Ein Mann des Morgen:
Zum Tod von Jeffrey Burns
Ein Nachruf von Stephen Tree...
"Er lebt mit seiner Denkart absolut im Heute. Und nicht im Gestern.
Er hat nicht die Vergangenheit im Schlepptau. Das ist sehr charakteristisch für
ihn. Er ist immer ein Takt weiter." So der israelische Komponist Josef Tal über
Jeffrey Burns, den amerikanisch-berlinischen Pianisten, mit dem er seit 1986
zusammenarbeitet.
Ein Mann des Morgen. Am 18.08.1950 in Los Angeles als einziges
Kind eines jüdischen Kaufmanns geboren. Der schon mit neun Jahren öffentlich
auftritt, die Pianisten Jakob Gimpel und Emanuel Bay, den Komponisten Mario
Castelnuovo-Tedesco und den früheren Dirigenten der Krolloper, Fritz Zweig, zu
seinen Lehrern zählt. 1968 gewinnt er die Goldmedaille beim internationalen
Klavierwettbewerb "Viotti" in Italien, kommt 1972 als Stipendiat des DAAD nach
Deutschland, lehrt 1977-83 an der Universität Münster, und zieht danach nach
Berlin, wo er zu einem der führenden Interpreten der modernen Klaviermusik wird.
Josef Tal, Arie Shapira, Morton Feldman, René Both, Gerhard Humel, Paul-Heinz
Dittrich, Johannes Kalitzke, Georg Katzer komponieren für ihn. Frank Zappa
überlässt ihm das für unspielbar erklärte "Ruth is Sleeping", das Jeff zu seinem
Bravourstück macht. Er spielt stets auswendig, von einem inneren Schwung
getrieben, der sich jedem Zuhörer vermittelt, ganz gleich wie nah oder fern
dieser der Moderne stehen mag.
1997 stellt er das "Piano of Light" vor, wobei er seinen
Konzertsteinway mit eigens von ihm entwickelten Licht-Steuerungsprogramm an
seinen Computer anschließt, um die "Lichtmusik" Skriabins genau so umzusetzen
wie vom Komponisten verlangt. Er gibt Computer-Kurse für Komponisten. Er leitet
Meisterklassen in Rheinsberg. Er fotografiert.
Jeffs anderes großes Interesse gilt dem Judentum in seiner
religiösen Praxis und musikalischen Überlieferung. Mit dem von ihm entwickelten
Computer-Programm "maxsynagogue" macht er das komplizierte System der jüdischen
Kantilation auch denen zugänglich, die nicht über seine einmalige Verbindung von
Musikalität, mathematisch-technischem Sachverstand und, immer mehr,
Thoragelehrtheit verfügen. Ein Zusatzwissen, das er nutzt, um die Musik- und
Textstruktur der Bibel-Psalmen in einem fast tausendseitigen Riesenwerk zu
entschlüsseln. Er war dabei, es mit der ihm eigenen Intensität und Energie
fertig zu stellen, als man ihn tot in seinem Bett findet, in der Nacht vom
Samstag dem 18.12.04 vom plötzlichen Herzstillstand "hinweggeküsst" (Josef Tal).
Jeffrey Burns wurde am 23.12.2004 auf einem der schönsten Plätze
des jüdischen Friedhofs Berlin-Weißensee begraben, begleitet von den
Kantoralgesängen, die er so sehr liebte. Er hinterlässt zwei Kinder, die
elfjährige Dorothea Ruth und den achtjährigen George Aaron.
al /
hagalil.com / 2005-01-03
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