Zeichen des Alltags:
Einfache
Zeichen einer komplexen Welt
Bunte Piktogramme informieren über jüdisches Leben in Deutschland -
Eine außergewöhnliche Ausstellung im Jüdischen Museum Franken
Von JIM G.
TOBIAS
Juden in Deutschland - Zeichen des Alltags Die meisten
Bundesbürger kennen Juden nur aus Erzählungen oder
Geschichtsbüchern. Das deutsche Judentum wird heute meist auf den
Holocaust reduziert oder als exotische Kuriosität wahrgenommen.
Dem wollen junge Berliner Juden und Nichtjuden mit ihrer
unkonventionellen Ausstellung „Zeichen des Alltags“ entgegenwirken.
Anhand von 50, auf neonbeleuchtete Plastikkästen gedruckten
Piktogrammen stellt die Künstlergruppe x:hibit kulturelle,
emotionale, soziale und religiöse Aspekte jüdischen Lebens in der
Bundesrepublik vor.
„Was Sie schon immer über das Judentum wissen wollten, aber nie zu
fragen wagten,” scheint das Motto der frechen und witzigen
Installationen zu sein. Unter dem Symbol eines Soldatenhelms wird
etwa die Frage aufgeworfen, ob Juden Wehrdienst in der Bundeswehr
leisten müssen. Jeweils zwei nebeneinander angeordnete
Geschlechter-Symbole erinnern daran, dass auch schwule und lesbische
Juden in Deutschland leben. Im Verein „Yachad“ haben sich etwa 100
der sexuell anders Orientierten zusammengefunden.
Ein stilisierter Cheeseburger weist den Besucher auf die jüdischen
Speisevorschriften hin. Eine Regel, so informiert der dazugehörige
Text, fordert die strikte Trennung von Milchprodukten und Fleisch.
Bei der mit Käse belegten Bulette ist demnach Vorsicht geboten:
Unkoscher!
Wieviel Juden besuchen regelmäßig die Gottesdienste? Unter dem
Piktogramm einer Synagoge steht die Antwort: Knapp drei Prozent der
jüdischen Deutschen versammeln sich am Shabbat zum Beten. Dass die
einzige Rabbinerin in Deutschland in Oldenburg ordiniert, erfährt
der Besucher unter einer Figur mit Gebetsschal und Kippa. Ein
rennendes rotes Männchen, das überall auf der Welt auf Notausgänge
hinweist, unterrichtet über die Anzahl der Austritte aus jüdischen
Gemeinden. Und was verbinden deutsche Juden mit dem 9. November, dem
Tag an dem 1938 die Synagogen brannten und 1989 die Berliner Mauer
fiel? Für die in Kanada geborene und in Berlin lebende Jüdin Naomi
Bodemann-Ostow ist die Antwort klar: „Den Mauerfall, den habe ich ja
selbst miterlebt.“
Bei den Recherchen zur Ausstellung hat die Gruppe um die 24-jährige
Bodemann-Ostow interessante Entdeckungen gemacht: Die Abkürzung IS
(israelitisch) auf der Lohnsteuerkarte wird von vielen Finanzbeamten
als Hinweis auf die religiöse Zugehörigkeit zum Islam gedeutet. Bei
den Nachforschungen, ob junge Juden zum Wehrdienst verpflichtet
werden können, wollten die Ausstellungsmacher ebenso wissen, ob
immer noch 35 Kasernen nach Wehrmachtsoffizieren benannt sind. Die
Antworten aus dem Verteidigungsministerium ließen nicht lange auf
sich warten: Enkel von NS-Verfolgten müssen nicht zur Armee, Urenkel
werden allerdings eingezogen. Außerdem bestätigte die Bundeswehr,
dass weiterhin viele Truppenunterkünfte den Namen von
Wehrmachtsangehörigen tragen. Doch die Zahl 35 ist falsch, es sind
38 Kasernen!
Die „Zeichen des Alltags“ sind im Jüdischen Museum Franken,
Königstraße 89, in Fürth noch bis 18. Februar 2001 zu sehen.
Geöffnet ist täglich außer Samstag, von 10 bis 17 Uhr, dienstags bis
20 Uhr. Danach wandert die Ausstellung ins Rathaus der Stadt
Hannover, anschließend ins Jüdische Museum Hohenems in Österreich.
haGalil onLine 05-12-2000 |