Politik

Gaddafi in Paris Geschäfte mit Todeskuss

Beim ersten offiziellen Besuch des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi in Frankreich seit Jahrzehnten haben beide Länder Verträge im Umfang von mehr als zehn Milliarden Euro unterzeichnet. Frankreich sagte Libyen unter anderem die Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung von Atomkraft und sowie die Lieferung von ein oder mehreren Atomreaktoren für die Entsalzung von Meerwasser zu. In der französischen Regierung löste Gaddafis fünftägiger Paris-Besuch Streit aus.

Außenminister Bernard Kouchner und die Staatssekretärin für Menschenrechte Rama Yade kritisierten den Besuch. Präsident Nicolas Sarkozy betonte: "Frankreich muss mit allen reden, die den Weg zurück in die Staatengemeinschaft gewählt und Terrorismus und Massenvernichtungswaffen abgeschworen haben."

Libyen will 21 Flugzeuge vom Typ Airbus kaufen, darunter zehn Langstreckenflugzeuge vom Typ A350. Frankreich soll Libyen außerdem Militärausrüstung liefern. Ob darin auch die auf dem internationalen Markt bisher unverkäuflichen Kampfjets vom Typ Rafale eingeschlossen sind, blieb zunächst offen.

Der geplante Bau eines Atomkraftwerks war bereits beim Besuch von Sarkozy in Libyen im Sommer angekündigt und von mehreren EU-Partnern scharf kritisiert worden. Kritiker hatten einen Zusammenhang mit der Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern aus libyscher Haft vermutet, für die sich die damalige Präsidentengattin Ccilia Sarkozy eingesetzt hatte. Die Bulgarinnen sagten am Montag eine Reise nach Paris wegen des Gaddafi-Besuchs ab.

Welttag der Menschenrechte

Der erste Besuch Gaddafis in Paris seit 34 Jahren falle ausgerechnet auf den Welttag der Menschenrechte, schrieb Kouchner in einem Beitrag für die Zeitung "La Croix". Jeder Aktivist erinnere sich, dass Gaddafi "professionell" Menschenrechte verletzt habe. Die Leiden seiner Opfer dürften nicht vergessen werden, fügte der Mitbegründer der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hinzu.

"Gaddafi muss begreifen, dass unser Land kein Fußabtreter ist, auf dem sich ein Staatsführer, ob Terrorist oder nicht, das Blut seiner Untaten abstreifen kann", sagte Yade der Zeitung "Le Parisien". "In seinem Land sind Menschen verschwunden, über deren Schicksal nichts bekannt ist. Die Presse ist nicht frei. Gefangene werden gefoltert. Die Todesstrafe wurde zwar für Libyer abgeschafft, bleibt aber für Menschen aus den Staaten südlich der Sahara in Kraft", so die Staatssekretärin weiter. "Frankreich sollte diesen Todeskuss nicht annehmen." Yade wurde anschließend in den lyse-Palast zitiert.

Eine Meinungsumfrage für die Zeitschrift "Paris Match" ergab, dass 61 Prozent der Franzosen gegen den Besuch sind.

Verständnis für den Terrorismus

Gaddafi, der auf eigenen Wunsch die Besuchsdauer auf fünf Tage verlängert hatte, erschien in einem dunklen Umhang ohne die sonst übliche Sonnenbrille. Bei der Unterzeichnung der Verträge wirkte er müde und abwesend. Am Rande des EU-Afrika-Gipfels am Wochenende hatte er Verständnis für den Terrorismus geäußert. "Die Supermächte verstoßen gegen das internationale Recht, da ist es nicht verwunderlich, dass die Schwachen zum Terrorismus greifen."

Nachdem Libyen lange international als Drahtzieher von Terroranschlägen isoliert gewesen war, war Gaddafi im April 2004 nach 15 Jahren erstmals nach Brüssel zur EU gereist. Libyen hatte 2003 die Verantwortung für den Anschlag auf ein Pan-Am-Flugzeug im Jahr 1988 übernommen. Bei der Explosion der Maschine über dem schottischen Lockerbie waren 270 Menschen ums Leben gekommen.

Quelle: ntv.de

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