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Gaddafis Familiengeschichte Die Beduinen-Tochter und der korsische Pilot

Gaddafi ist Korse - zur Hälfte wenigstens, wie Ahnenforscher jetzt entdeckt haben wollen. Der offizielle Lebenslauf des Revolutionsführers sagt zwar, dass er aus einer Beduinenfamilie stammt. Doch die hat 1941 offenbar Besuch von einem korsischen Flieger gehabt.

Paris - Die Zuneigung Muammar al-Gaddafis für Frankreich ist seit seinem Staatsbesuch vor zwei Monaten in Paris beinahe sprichwörtlich: Der Ex-Terrorist hätte seine von heftigen Polemiken begleitete Visite ja am liebsten auf volle zwei Wochen verlängert. Weniger bekannt ist die Unterstützung des Revolutionsführers für die Unabhängigkeitsbewegung auf Korsika während der sechziger Jahre, unverkennbar aber Gaddafis unumwundene Bewunderung für Napoleon - den berühmtesten Sohn Korsikas.

Jetzt könnte eine Erklärung für die emotionale Nähe zu Frankreich und zur "Île de Beauté" gefunden sein: Angeblich soll Gaddafi der Sohn eines korsischen Piloten und Helden des französischen Widerstandes sein. "Keine Gewissheit", so der Sender France Inter über die Information, "aber ein Bündel von übereinstimmenden Indizien".

Zusammengetragen hat diese Hinweise der Internetdienst bakchich.info , der sich als eine Art digitales Gegenstück zum Investigationsblatt "Canard Enchaîné" versteht. In Korsika, so der Bericht, der sich auf Zeitzeugen und Dokumente stützt, sei die Geschichte um die angebliche Vaterschaft längst Legende und Anlass zu kaum verhaltenem Stolz: Bei dem Vater handelt es sich demnach um Albert Preziosi. Der Held des französischen Widerstandes aus dem Dorf Vezzani war während des Zweiten Weltkrieges als Pilot der Fliegerstaffel Normandie/Nieman vorübergehend in Nordafrika stationiert, bevor er im Juli 1943 im Alter von 28 Jahren an der russischen Front abgeschossen wurde.

Francois Quilichini, ehemaliger Geheimdienstmann in Diensten des nigerianischen Präsidenten, erzählt, wie er 1974, nach einem Besuch bei Oberst Gaddafi, als "Landsmann" des Libyers tituliert wurde. "Man erzählt, dass der Vater Gaddafis ein korsischer Hauptmann mit dem Namen Preziosi ist", erfährt der Franzose. Auch für Alexandre Alessandrini passt alles zusammen. "Zwischen 1941 bis 42 war die Staffel in Tripolis stationiert", berichtet der Ratsherr des Kantons Vezzani, "da hätte der Junggeselle Preziosi durchaus eine Liaison mit einer Einheimischen haben können."

Verblüffende Ähnlichkeit

Offiziell ist der libysche Staatschef am 19. Juni 1942 in Syrte geboren - als Sohn einer Beduinenfamilie. Neun Monate zuvor war Preziosi als Flieger mit seiner Staffel in Nordafrika im Einsatz. Ein damaliger Mitstreiter erinnert sich, dass der Hauptmann im Sommer 1942 vier Wochen lang verschwunden war: "Er war mit seiner Maschine abgestürzt, und ein Beduinenstamm hat ihn gesund gepflegt und ihn vor allem vor den Deutschen versteckt. Dort soll er Kontakt zu einer Frau gehabt haben."

Der Revolutionsführer, Spross einer Beduinentochter und eines französischen Fliegers? Auch andere Kameraden Preziosis erzählen, dass die Geschichte vom Absturz und dem Aufenthalt bei den Beduinen damals unter den Piloten die Runde machte. Und ein Dokument vom 15. März 1999, das bakchich.info einsehen konnte, belegt, dass sich hohe französische Militärs für diese Hypothese interessierten. Und selbst wenn es bislang keine formelle Bestätigung für die These der Vaterschaft gibt, bleibt, unabhängig von den Dokumenten, eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen Preziosi und Gaddafi.

Auch Jean-Pierre Pagni hält die verwandtschaftliche Verbindung zwischen Maghreb und Korsika für denkbar. "Wenn Gaddafi unser Dorf besuchen will, werden wir ihn empfangen", so der Bürgermeister von Vezzani, "wir werden ihm einen Platz geben, damit er sein Zelt aufschlagen kann, und ihm eine Gedenktafel widmen."

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