Schwarze Rauchwolken standen am Himmel. Explosionen und Geschützdonner hallten über die Dächer von Sanaa. In zahlreichen Vierteln der jemenitischen Hauptstadt lieferten Bewaffnete einander erbitterte Gefechte, während die Bewohner sich in ihren Häusern verbarrikadierten. Es war eine heftige Welle der Gewalt, die der eh schon blutige Bürgerkrieg im Jemen an diesem Sonntag erlebte: Rund 60 Menschen starben, es gab Hunderte Verletzte.

Die Allianz zwischen den Huthi-Rebellen und Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh war kurz zuvor zerbrochen. Auslöser des Zerwürfnisses war ein Auftritt Salehs im Fernsehen. In seiner Rede bot er "den Brüdern der benachbarten Staaten" an, eine neue Seite im Verhältnis miteinander aufzuschlagen, wenn die Luftangriffe und die Blockade beendet würden. "Es ist genug, was im Jemen passiert ist", sagte der Ex-Staatschef. Mit "Brüdern" war vor allem Saudi-Arabien gemeint – der größte Feind der Rebellen.

Der Huthi-Anführer Abdul-Malik al-Huthi beschimpfte Ex-Präsident Saleh daraufhin als Hochverräter. Die Rebellenkämpfer errichteten Straßensperren und griffen den Süden von Sanaa an, wo Salehs Angehörige und viele seiner Parteigänger wohnen. Saudi-Arabien hingegen begrüßte die Wende und erklärte, diese werde den Jemen von dem "Übel Iran-gesteuerter Milizen" befreien.

Hunger, Mangelernährung und Cholera

Jemen

Der Bürgerkrieg, der im März 2015 begann, stürzte den Jemen in die derzeit größte humanitäre Katastrophe der Welt. Nach UN-Angaben wurden bisher 8.400 Menschen getötet und 48.000 verletzt. Drei Millionen verloren ihre Häuser und fristen ein Dasein als Binnenflüchtlinge. Schon vor dem Krieg war die Nation im Süden der Arabischen Halbinsel mit ihren 27 Millionen Einwohnern ein Armenhaus: Jemen musste 90 Prozent der Lebensmittel importieren. Zwei Drittel aller Jemeniten hungern inzwischen oder sind mangelernährt. 1,8 der 4,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt. 920.000 Menschen erkrankten 2017 an Cholera, mehr als 2.200 starben an der Epidemie.

Der spektakuläre Zerfall des Huthi-Kriegsbündnisses zeichnete sich seit Längerem ab. Saleh führte schon vor seinem Sturz 2012 sechsmal Krieg gegen die Rebellenbewegung. Im Mai 2017 wurde das tiefe gegenseitige Misstrauen offenkundig, als Saleh der von Saudi-Arabien geführten Allianz zum ersten Mal Gespräche anbot und damit die schiitische Rebellenführung provozierte.

Am 24. August ließ Saleh Zehntausende seiner Anhänger in Sanaa aufmarschieren. Er titulierte seine Huthi-Kriegspartner in einer bombastischen Rede als "bewaffnete Miliz". Im September antworteten die Huthis mit einer eigenen Großkundgebung, an deren Rande es die ersten Gefechte und Tote gab. Ihr Verdacht, Saleh treibe ein doppeltes Spiel, wurde weiter bestärkt, als Saudi-Arabien im Oktober trotz Luftblockade einem russischen Ärzteteam erlaubte, nach Sanaa zu reisen, um den 75-Jährigen zu operieren.

Der Konflikt könnte sich nun zu einem Dreifrontenkrieg ausweiten – zwischen den Huthis, den Streitkräften von Ex-Präsident Saleh im Norden und den mit der Golf-Allianz verbündeten Regierungstruppen im Süden. Dann könnten die Kämpfe die Weltkulturerbe-Metropole Sanaa ebenso schwer zerstören wie zuvor Aden und Taiz, die beiden anderen Großstädte des Landes.