Wiens Bürgermeister Michael Ludwig
APA/Hans Punz
CoV-Maßnahmen

SPÖ-Länderchefs über Kurz verärgert

Obwohl erst am Mittwoch Beratungen mit den Bundesländern stattfinden, hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag im Zuge des ORF-„Sommergesprächs“ seine Pläne vorgestellt. Verärgert zeigten sich darüber die SPÖ-Länderchefs – etwa der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, der auch strengere Regeln fordert. Kritik übte auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ): Die mediale Ankündigung zeige, dass es Kurz mehr um die Inszenierung als ums Gemeinwohl gehe.

Kurz hatte am Montag zwei Tage vor entsprechenden Gesprächen mit den Landeshauptleuten die Eckpunkte seiner Pläne präsentiert. Ludwig zeigte sich darüber irritiert: „Wir sind in Wien keine nachgeordnete Dienststelle des Bundes. Ich bin kein Abteilungsleiter der Bundesregierung, sondern im Zuge des Föderalismus ein wichtiger Bestandteil dieser Republik.“ Es „würde Sinn machen, auf Augenhöhe zu beraten, bevor man an die Öffentlichkeit geht“.

Das müsse bei den Gesprächen am Mittwoch berücksichtigt werden. Er kündigte an, dass er auch strengere Regeln fordern werde: „Die Pandemie ist auch für die Geimpften nicht vorbei“, sagte Ludwig. Kurz hatte am Montag unter anderem angekündigt, dass es „sicherlich keine Lockdowns“ mehr für Geimpfte geben werde.

Folgen auch für Geimpfte

Ludwig verwies darauf, dass die Lage bei den Hospitalisierungen wieder schlechter werde – in Wien und Oberösterreich wurde ein Schwellenwert bereits überschritten. Das könnte sich auch auf geimpfte Personen auswirken, so Ludwig: „Wenn es stärkere Belagszahlen in den Spitälern gibt, ist es für Menschen, die einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Unfall haben, schwer möglich, zeitgerecht entsprechend auf Intensivstationen behandelt zu werden, wenn dort Corona-Patienten in größerem Ausmaß gepflegt werden müssen.“

Der von Kurz angekündigte Fünfpunkteplan, der unter anderem die Bettenbelegung an den Intensivstationen statt der 7-Tage-Inzidenz als neuen Leitindikator sieht, einen generellen Lockdown ausschließt und stattdessen wenn nötig auf „Schutzmaßnahmen“ nur für Ungeimpfte setzt, ist für Ludwig „nicht ausreichend, um mit der Situation umzugehen“.

Ludwig werde daher „ein umfassendes Paket einfordern“. Die strengeren Maßnahmen in Wien – beispielsweise eine Maskenpflicht im gesamten Handel und die verkürzte Gültigkeit der Tests – sollen künftig in allen Bundesländern gelten, forderte Ludwig. Weiterhin kostenfrei müssten auf jeden Fall die Tests bleiben. Ansonsten würde man die Bevölkerungsgruppe, die sich nicht impfen lässt, völlig verlieren.

Appell für „2-G“

Ludwig sprach sich am Dienstag auch für Begrenzungen der Besucherkapazitäten bei Veranstaltungen aus, er kann sich dafür auch „2-G“ als Zutrittsvoraussetzungen vorstellen, ebenso für die Nachtgastronomie. Er habe auf jeden Fall „eine Fülle an Vorschlägen“, die er am Mittwoch unterbreiten werde. „Man kann nicht immer nur der Sonnyboy sein, man muss auch Maßnahmen setzen, die unangenehm sind“, wenn das die Situation erfordere, sagte Ludwig. Die Regeln sollen österreichweit gelten, „ein Fleckerlteppich macht keinen Sinn“.

Sollte sich die Bundesregierung am Mittwoch dazu nicht durchringen, „werden wir unseren Weg der Sicherheit und Konsequenz weiterführen“. Kurz schloss einen Lockdown aus, er selbst sei nicht so „prophetisch“, sagte Ludwig. Allerdings werde er „alles daransetzten, einen Lockdown zu verhindern“.

„Täglich grüßt das türkise Murmeltier“

Verärgert hatte sich auch der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) gezeigt: „Und täglich grüßt das türkise Murmeltier. Dass der Bundeskanzler immer dann, wenn es kritisch wird, die Landeshauptleute zu Hilfe holt, dann aber vor dem Gespräch Maßnahmen medial bereits im Alleingang ankündigt, passiert nicht zum ersten Mal“, hieß es gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. Das zeige „einmal mehr, dass es ihm weniger um das Gesamtwohl der Bevölkerung und einen respektvollen Umgang auf Augenhöhe als vielmehr um die eigene mediale Inszenierung geht“.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) stellte sich hingegen voll und ganz hinter Kurz’ Strategie. Die Entscheidung, sich an der Belegung der Intensivbetten und nicht an der 7-Tage-Inzidenz zu orientieren, halte er für „ganz wesentlich“, meinte Wallner. Weitere Lockdowns für alle zu vermeiden sei ebenfalls richtig – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Kogler: Stimmen mit ÖVP „völlig überein“

Unterstützung für Kurz kam von den Grünen: „Wir stimmen völlig überein“, kommentierte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die Ankündigungen von Kurz. „Selbstverständlich werden wir in den Maßnahmen differenzieren, ob jemand geimpft ist oder nicht.“ Er halte das für „sinnvoll und richtig“, weil man nicht über Jahre Einschränkungen machen könne und wolle, so Kogler am Dienstag in einer Pressekonferenz.

Kurz: Lockdown nur für Ungeimpfte

Ein Lockdown für alle ist für den Bundeskanzler nicht mehr denkbar. Nur Ungeimpfte müssen im Fall eines großen Anstiegs mit Einschränkungen rechnen. Ein großer CoV-Gipfel mit allen Landeshauptleuten findet jedoch erst am Mittwoch statt.

Es gebe die Möglichkeit, weiteren Lockdowns entgegenzuwirken, und „das ist die Impfung“. Das sei „unter aufgeklärten Menschen klar“. Kogler stellte auch in Abrede, dass es zwischen Kurz und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) keine Abstimmung gebe. Das Gegenteil sei der Fall. Mückstein selbst wollte Dienstagabend im Interview mit dem „Report“ noch keine Details zu möglichen Maßnahmen nennen. Er verwies auf die für Mittwoch angesetzten Gespräche mit den Landeshauptleuten.

Gesundheitsminister Mückstein über Verschärfungen

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) über die geplanten Maßnahmen zur Eindämmung der CoV-Verbreitung.

„Es gibt einen intensiven Austausch, die Maßnahmen sind im Wesentlichen fertig und werden feingeschliffen und morgen mit den Landeshauptleuten besprochen“, so Kogler. Es gebe ein gemeinsames Vorgehen, „das wird sich auch morgen bestätigen“. Es stehe dem Kanzler aber zu, in einem großen Interview einige Punkte zu nennen. „Ich hätte mich auch nicht verschwiegen.“

„Verzweiflungsakt“

FPÖ-Chef Herbert Kickl sah indes die Impfstrategie der Regierung gescheitert. „Die Überlegungen in Richtung eines Lockdowns für Ungeimpfte sind ein Verzweiflungsakt des Kanzlers der gebrochenen Versprechen“, sagte er. Entsetzen über die polarisierende Haltung der FPÖ gegen das Impfen äußerte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, der dazu das Wort „fetzendeppert“ einfiel. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz verlangte daraufhin eine Entschuldigung bei impfunwilligen Bürgern, seien diese doch „als Trotteln“ beschimpft worden.