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18. Februar 2011, 16:48, NZZ Online

Ghadhafi sagt nichts mehr

Explosive Lage im Osten Libyens – Grossaufgebot der Sicherheitskräfte

Libysche Demonstranten im Vormarsch. Ort und Tag unbekannt, Video ins Netz gestellt am 18.02.2011. (Bild: Youtube)Zoom

Libysche Demonstranten im Vormarsch. Ort und Tag unbekannt, Video ins Netz gestellt am 18.02.2011. (Bild: Youtube)

Nach nächtlichen Schiessereien haben die Sicherheitskräfte die ostlibysche Stadt Benghasi offenbar wieder im Griff. Die Lage in den nahegelegenen Städten Al-Baida und Derna war unklar. Ghadhafi winkt in Tripolis dem Volk zu, schweigend.

(sda/Reuters/afp/dpa/ddp)/awy. Nach Angaben von Oppositionsgruppen im Exil haben am Freitag Regierungsgegner die Kontrolle über die ostlibysche Stadt Al-Baida übernommen. Einige Polizisten hätten sich dort auf die Seite der Protestierenden geschlagen, teilten zwei Exilgruppen in Genf mit.

Erfolgsmeldung aus Genf

«Al-Baida ist in der Hand des Volkes», sagte ein Sprecher der Gruppe «Libysche Menschenrechtssolidarität» der Nachrichtenagentur Reuters. Die Gruppe «Libysches Komitee für Wahrheit und Gerechtigkeit» bestätigte die Darstellung. Beide Gruppen beriefen sich auf telefonische Kontakte in die 250'000 Einwohner zählende Stadt. Eine unabhängige Bestätigung gab es nicht. Das Ausmass der Proteste in Libyen ist schwer abzuschätzen, da die Medien einer strengen staatlichen Zensur unterliegen.

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In der Hafenstadt Benghasi hatten Am Donnerstag und in der Nacht auf Freitag mehrere tausend Regierungsgegner gegen die Tötung von Demonstranten durch Sicherheitskräfte bei früheren Kundgebungen demonstriert. Einen Eindruck von den Auseinandersetzungen geben Amateurvideos, die auf Youtube in zunehmender Zahl laufend veröffentlicht werden.

Derna, 17.02.2011. Quelle: Youtube.

Al-Baida, 16.02.2011. Quelle: Youtube.

Ein Video aus Derna vom 17. Februar zeigt grössere Gruppen von jungen Männern, die durch die Strassen rennen; einige haben Steine oder Stöcke in den Händen. Schüsse sind zu hören, am Boden sind Blutlachen zu sehen, Verletzte werden ins Spital gebracht. Ein anderes zeigt ähnliche Szenen in Al-Baida am Tag zuvor. Es fehlen auch nicht Bilder von aufgebahrten Leichen von «Märtyrern», zum Teil mit blutigen Köpfen.

Ein Bewohner Benghasis berichtete der Agentur Reuters, die Auseinandersetzungen in der Nacht seien sehr schwer gewesen: «Ich hörte Schüsse. Ich sah eine Person niederstürzen.» Einen Überblick über die Opferzahlen habe er aber nicht. Am Freitag kampierten immer noch mehrere hundert Demonstranten im Zentrum der Stadt. Auf Facebook und anderen Webseiten gab es Aufrufe, sich den Trauerprozessionen für bei Kundgebungen der getöteten Demonstranten anzuschliessen.

Mindestens 24 Tote

Unklar blieb die genaue Opferzahl seit Beginn der Proteste am Dienstag. In sozialen Netzwerken wurde von bis zu 50 Toten berichtet. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) töteten die Sicherheitskräfte mindestens 24 Demonstranten. Polizisten hätten auf Demonstranten geschossen, um die Mengen auseinanderzutreiben, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Freitag unter Berufung auf Augenzeugen.

Die schwersten Zusammenstösse hätten sich in Al-Baida ereignet. Das Personal des dortigen Spitals habe zusätzliches Material angefordert, nachdem rund 70 mit Schusswunden verletzte Demonstranten eingeliefert worden seien. In Benghasi sollen mit Messern bewaffnete Männer in Zivil unter den Sicherheitskräften gewesen sein.

Kurzer Auftritt Ghadhafis in Tripolis

Der libysche Machthaber Ghadhafi selbst zeigte sich am Freitag kurz vor Anhängern auf einem Platz in der Hauptstadt Tripolis, gab aber keine Stellungnahme ab. Am Donnerstagabend hatte er sich im offenen Wagen durch Tripolis fahren lassen. Das libysche Fernsehen zeigte Aufnahmen, auf denen jubelnde Anhänger zu sehen waren. Einige versuchten, Ghadhafis Auto zu erreichen und ihm die Hand zu schütteln.

Die libysche Zeitung «Al-Watan» meldete, Ghadhafis Sohn As-Saadi al-Ghadhafi – er ist bisher als Spieler bei italienischen Fussballvereinen aufgefallen - wolle nach Benghasi umziehen. Der 37-Jährige soll dort einen Aktionsplan zur Verbesserung der Infrastruktur umsetzen.


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7 Leserkommentare:
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Walter Krupinski (21. Februar 2011, 11:54)
Er sagt also nichts mehr

Es ist auch besser, wenn der Uniformenfetischist nichts mehr sagt und noch besser, wenn er sich schnell verdrückt. Sonst könnte es ihm wie damals Benito ergehen. Die Kommentatoren, die Herrn Pfanner vorwerfen er wolle einen Einsatz der CH-Armee gegen das CH-Volk sollten seinen Kommentar besser nochmals langsam lesen, damit sie ihn auhc verstehen. Er forderte dies nämlich mitnichten, ganz im Gegenteil.

Rafiq Tschannen (21. Februar 2011, 09:46)
Interessant, dass Herr Pfanner die Schweiz und Libyen als so aehnlich ansieht,

dass man auch die Armee gegen die eigenen Buerger bewaffnen soll.

Mario Meier (18. Februar 2011, 18:37)
Klopf,klopf....

Wird das bald unser prominentester Asylant?
Wir haben Campingplätze und sind nicht allzu nachtragend.

Kevin Trutmann (18. Februar 2011, 18:15)
@Herr Pfanner

Wie genau stellen sie sich die schweizer Armee in einer solchen Situation vor? Wir haben eine Milizarmee, das heisst, wenn sich das Volk gegen die Regierung auflehnt, hilft die Armee auch nicht viel, weil sie selbst das Volk ist!
Lustigerweise war genau das übrigens auch ein oft genanntes "Argument" gegen die "Entwaffnung der Schweizer Bürger".
Damit das Volk der Souverän bleibt.
Was also wollten sie mit ihrem Kommentar genau sagen?
Persönlich freut es mich, wie sich der Wunsch nach Demokratie und einer fairen Regierung verbreitet. Die Opfer dieser Revolution sind zu beklagen, aber meiner Meinung nach für eine bessere Sache gestorben als jeder religiöse Märtyrer.
Meinen Respekt für diese Leute, ich hoffe dass sie bald die friedliche Regierung bekommen, die sie verdienen!

Rolf Raess (18. Februar 2011, 18:13)
Ja, ja Herr Pfanner…

Alle Machthaber brauchen eine Armee um die Oberhand zu behalten - auch die Schweizer Oligarchen in SVP, FDP, CVP)!

andreas furrer (18. Februar 2011, 17:57)
wahrnehmung...

...ist ein resultat ausgewerteter informationen. dass diese "zeitabhängig" sind, versteht sich von
selbst (ich esse ja auch keine nusstorten von vor 1 500 jahren).

Franz Pfanner (18. Februar 2011, 17:21)
damit..

könnte die Notwendigkeit für ein Schiedsgericht ganz plötzlich nicht mehr vorhanden sein. So ändert sich ganz plötzlich die Geschichte.
Auch erinnert mich diese ganze Umsturzgeschichte im islamischen Raum an die Tatsache, dass sich jederzeit komplett einfach alles ändern kann.
Da waren doch diese Kommentatoren, die behaupteten, es sei heute Frieden und eine Armee bräuchten wir nicht .. na, da soll man sich nicht zu weit zum Fenster rauslehnen .. so gar der Ghadaffi muss jetzt bitterlich feststellen, dass sich alles jederzeit komplett und unerwartet ändern kann. Deshalb muss man auch in Europa heute schon warnen .. die Pariser Vorortsausschreitungen waren z.B. so ein gewaltiges Indiz.

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