Commerzbank will Kapitalloch ohne Staat stopfen

Donnerstag, 19. Januar 2012, 14:48 Uhr
 

Frankfurt (Reuters) - Commerzbank-Chef Martin Blessing will Wort halten: Die zweitgrößte deutsche Bank plant, ihre Eigenkapital-Lücke von 5,3 Milliarden Euro ohne Hilfe des Staates und ihrer Großaktionäre zu schließen.

Ein Loch von drei Milliarden Euro habe die Commerzbank bereits gestopft, sagte Blessing am Donnerstag in Frankfurt. "Das heißt: Wir haben schon knapp 60 Prozent der EBA-Kapitalanforderungen erreicht." Das Maßnahmenpaket, das die Bank bis Freitag der EU-Bankenaufsicht EBA vorlegen muss, enthalte sogar einen Sicherheitspuffer von einer Milliarde Euro. Den kann die Commerzbank auch brauchen: Denn Blessing und sein Finanzchef Eric Strutz haben einen Gewinn von 2,4 Milliarden Euro bis Juni 2012 eingeplant. Doch dazu dürfe sich die Staatsschuldenkrise in Europa nicht weiter verschärfen, warnte Strutz.

Der Mittelstand in Deutschland und in Polen soll durch den Schrumpfkurs nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. "Es gibt keine Kreditklemme und ich sehe auch keine Kreditklemme", sagte der für die Firmenkunden zuständige Vorstand Markus Beumer. Die Commerzbank werde den Mittelstand schonen. Kredite könnten allerdings teurer werden. "Regulierung ist nicht kostenfrei", betonte Beumer. Die Commerzbank ist mit 124 Milliarden Euro der größte Kreditgeber deutscher Unternehmen. Diese nutzten aber fast ein Drittel ihrer Kreditlinien nicht, sagte der Vorstand. Die EBA hatte sich besorgt gezeigt, dass die Banken wegen der Kapitalvorschriften die Kreditversorgung zu sehr drosseln.

An der Börse herrschte große Erleichterung. Die zuletzt bis auf 1,11 Euro abgestürzte Aktie sprang um 13 Prozent auf 1,59 Euro. "Das hört sich alles viel besser an als erwartet", sagte ein Händler. "Für die Aktie heißt das: viel Luft nach oben." WestLB-Analyst Neil Smith lobte: "Das Paket ist überzeugend. Die Bank hat deutlich mehr Kapital eingeplant, als sie müsste. Das ist, falls weitere Abschreibungen wegen Griechenland kommen, ein guter Puffer. Und dass sie die Allianz im Moment nicht braucht, ist ein gutes Zeichen."

Die Umwandlung der Stillen Einlage des Versicherers von 750 Millionen Euro in hartes Kernkapital behält sich die Bank für den Notfall vor. Derzeit sei sie kein Teil des Plans. "Hier gibt es verschiedene Verfahrensmöglichkeiten", sagte Strutz. Die Einlage könnte in Aktien getauscht oder ihre Bedienung stärker an den Gewinn gekoppelt werden, um von den Aufsehern als Puffer anerkannt zu werden. Die Detailverhandlungen sind aber offenbar noch nicht abgeschlossen.

Die 71 größten europäischen Banken müssen bis zum 30. Juni eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent nachweisen - auch dann, wenn alle Staatsanleihen in ihren Büchern auf Marktwerte abgeschrieben werden müssten. Für die Commerzbank bedeute das eine Quote von mehr als elf Prozent, sagte Blessing. Denn in der Tochter Eurohypo stecken 13 Milliarden Euro an Staatsanleihen. Auf ihre drei Milliarden Euro an Griechenland-Anleihen hat sie schon die Hälfte abschreiben müssen, allein für die restlichen Griechenland-Papiere muss die Bank einen Eigenkapital-Puffer von 950 Millionen Euro vorhalten. Zur Zukunft der Tochter Eurohypo wollte er sich nicht äußern. Nach Reuters-Informationen soll sie zum großen Teil abgewickelt und der Rest in die Commerzbank integriert werden.

REINES RISIKOMANAGEMENT

Der Vorstandschef zeigte sich zuversichtlich, dass die Bankenaufseher den Kapital-Plan billigen werden. "Ich gehe gutgläubig davon aus, dass das ein regulatorischer und kein politischer Prozess ist", betonte er. Die Commerzbank werde ihre Risiken auf jeden Fall reduzieren, egal was die EBA sage: "Das ist mir wurscht." Die Kapitallücke der Commerzbank ist eine der größten der betroffenen 30 Banken. Santander hat ein 15-Milliarden-Loch bereits gestopft, Unicredit braucht eine Kapitalerhöhung um 7,5 Milliarden. Blessing hatte sich früh festgelegt, dass er nicht noch einmal den Staat zu Hilfe rufen werde, um sein Kapitalproblem zu bewältigen. Der Bund hat der Commerzbank in der Finanzkrise schon mit 18 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen.

3,1 Milliarden Euro zum Erreichen der Ziele soll allein der Abbau von Bilanzrisiken (RWA) um 34 Milliarden bringen, sagte Strutz. Mehr als die Hälfte davon habe die Bank bereits sicher. Die Hälfte des RWA-Effekts sei reines Risikomanagement, etwa die Neubewertung von Kreditrisiken. Gekürzt oder abgesichert werden sollen nur Engagements in der Finanzbranche, bei Schiffsfinanzierungen und bei gewerblichen Immobilienprojekten in Russland, in den USA und in Japan. Der Verkauf von Bilanzposten, die ohnehin abgewickelt werden, soll 350 Millionen Euro bringen. 150 Millionen Euro kann die Commerzbank aus dem Verkauf des 14-Prozent-Anteils an der russischen Promsvyazbank erwarten.   Fortsetzung...