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"Jeder Extremismusfall muss Konsequenzen haben"

Typ: Meldung , Datum: 13.05.2022

Ein neuer Lagebericht des Verfassungsschutzes informiert über extremistische Aktivitäten von Bediensteten in Sicherheitsbehörden. Nancy Faeser: "Wir werden Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernen."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang, haben heute den Lagebericht Rechtsextremisten, "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" in Sicherheitsbehörden vorgestellt. Der Bericht macht extremistische Aktivitäten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der deutschen Sicherheitsbehörden transparent und zeigt ergriffene Maßnahmen auf.

Nancy Faeser: "Wir lassen nicht zu, dass unser demokratischer Rechtsstaat von innen heraus von Rechtsextremisten sabotiert wird. Jeder Extremismusfall muss klare Konsequenzen haben. Dafür müssen wir in Bund und Ländern alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen – und dort, wo es nötig ist, die rechtlichen Instrumente nachschärfen. Einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdisziplinargesetzes werde ich noch in diesem Jahr vorlegen. Wir werden Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernen."

Thomas Haldenwang sieht durch Extremisten nicht nur das öffentliche Vertrauen in den Staat gefährdet: "Solche Fälle sind auch ein Schlag ins Gesicht für diejenigen Beschäftigten, die fest mit beiden Füßen auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen." 

Anhaltspunkte für Extremismus bei 327 Bediensteten

Der heute vorgestellte Lagebericht knüpft an den erstmals im Oktober 2020 vorgestellten Lagebericht Rechtsextremismus an. Er führt die quantitative Erhebung fort und legt zusätzlich einen Fokus auf die Analyse möglicher Kennlinien der bearbeiteten Fälle zu einschlägigen rechtsextremistischen Akteuren. Der Bericht umfasst einen Erhebungszeitraum von Juli 2018 bis Juni 2021. In dieser Zeit wurden insgesamt 860 Fälle bei Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern ausgewertet. Bei 327 Bediensteten wurden tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung festgestellt. Das sind 38 Prozent aller Fälle. 138 davon entfallen auf Bundesbehörden, 189 auf die Landesebene. In den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern arbeiten insgesamt über 640.000 Personen.

Rechtsextremisten größte Gruppe

Der überwiegende Teil der Fälle ist dem Phänomenbereich Rechtsextremismus zugeordnet. Hier verzeichnet auf Bundesebene mit 83 Bediensteten der Militärische Abschirmdienst die meisten Verdachts- und erwiesenen Fälle. Die Bundespolizei weist 18, das Bundeskriminalamt zwei auf. Von den Ländern hat Nordrhein-Westfalen mit 54 Personen die höchste Zahl an erwiesenen Rechtsextremisten oder Verdachtspersonen. Es folgen Baden-Württemberg (31), Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt (jeweils 17). In Niedersachsen, Bremen und im Saarland wurden keine Fälle von Rechtsextremismus festgestellt.

Die extremistischen Aktivitäten, die dabei erfasst wurden, sind sehr vielfältig. Sie umfassen Mitgliedschaften in rechtsextremistischen Chatgruppen, politisch motivierte Beleidigungen, Propagandatätigkeiten und weitere extremistische Äußerungen und Aktivitäten. Die meisten Personen handelten als Einzelpersonen.

Extremismus hat Konsequenzen

Bei Aufkommen des Verdachts einer extremistischen Betätigung leiten Sicherheitsbehördenbehörden von Bund und Ländern arbeitsrechtliche Maßnahmen und Disziplinarverfahren ein. Außerdem drohen strafrechtliche Konsequenzen. Im Berichtszeitraum wurden insgesamt über 500 arbeitsrechtliche und disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet. Die ergriffenen Maßnahmen reichen von Verweisen und Geldbußen bis zur Kündigung und Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Der Bericht gibt einen detaillierten Überblick zu den auf Bundes- und Landesebene ergriffenen Maßnahmen.

Neu im Lagebericht ist, dass durch die personenscharfe Übermittlung eine genauere Analyse von Kennlinien der betroffenen Bediensteten in die rechtsextremistische und „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Szene möglich ist. 201 Bedienstete, bei denen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen, haben Kennverhältnisse zu insgesamt 765 im Verfassungsschutz bereits bekannten extremistischen Akteuren, wie Personen, Organisationen, aber auch Chatgruppen. Hier ist es besonders wichtig, genau hinzuschauen. 

Dem Lagebild liegt ein bundesweit einheitlicher standardisierter Erhebungsprozess zugrunde, an dem sich alle Landesbehörden für Verfassungsschutz, Landespolizeien sowie die Bundessicherheitsbehörden (einschließlich des Militärischen Abschirmdiensts für den Bereich der Bundeswehr) unter Federführung des Bundesamtes für Verfassungsschutz beteiligten. So wurde eine valide und vergleichbare Datenbasis geschaffen. Die Beschäftigungsbehörden meldeten personenscharf Fälle, für die im Erhebungszeitraum arbeits- oder dienstrechtliche Verfahren/Maßnahmen wegen möglicher Bezüge zu diesen Phänomenbereichen eingeleitet wurden. Diese Fälle wurden von den Verfassungsschutzbehörden auf tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung geprüft.