Minister Rudolf Anschober mit der ärztlichen Leiterin der bald startenden Corona-Impfaktion in Österreich, Maria Paulke-Korinek.

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Wien – Der Impfstart gegen Corona rückt auch in Österreich in greifbare Nähe. Rund um den Jahreswechsel, "vielleicht ein paar Tage davor", sei die Zulassung des ersten Vakzins in der gesamten EU zu erwarten. Im Jänner werde man mit der Vergabe beginnen, sagte der Sonderbeauftragte des Gesundheitsministeriums, Clemens Martin Auer, bei einer Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).

Die Impfaktion werde in der Folge in drei Phasen über die Bühne gehen. Im Jänner 2021 werde man – Phase eins – mit dem allen Erwartungen zufolge zuerst zugelassenen Mittel der Firmen Biontech/Pfizer Bewohnerinnen und Bewohner sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Alten- und Pflegeheimen bundesweit immunisieren.

Schrittweise Entspannung erhofft

Das gleiche Vorgehen – Impfung aller Patientinnen und Patienten sowie des gesamten Personals – werde in der Folge noch im Jänner in allen Spitälern des Landes starten. Von der gezielten Immunisierung alter, gebrechlicher und von Corona besonders gefährdeter Menschen in Heimen und Krankenhäusern erhofft man eine schrittweise Entspannung im derzeit höchst geforderten Gesundheitswesen.

Der Biontech/Pfizer-Impfstoff weist, wie andere in oder knapp vor der Zulassungsphase in der EU stehende Corona-Vakzine, eine Schutzwirkung von mehr als 90 Prozent auf, muss aber bei minus 60 Grad gekühlt werden. Bei minus fünf Grad hält er nur wenige Tage. Für eine gezielte Belieferung von Heimen und eine rasche dortige Verimpfung sei er daher besser geeignet als für eine breitflächige Impfaktion, sagte Auer.

Insgesamt könnten in Phase eins bis zu 500.000 Wirkstoffdosen für 250.000 Menschen verimpft werden; es braucht je zwei Teilimpfungen im Abstand von rund 14 Tagen.

Menschen ab 65 und systemrelevante Personen

Den Beginn von Phase zwei setzt Auer für den Februar und März 2021 an. Bis dann sei mit der Zulassung und Auslieferung weiterer ein bis zwei Vakzine zu rechnen, die bei weniger tiefen Temperaturen gelagert werden können, sagte Auer.

Mit diesen mit großer Wahrscheinlichkeit von den Firmen Moderna sowie Astra Zeneca kommenden Mitteln werde man im niedergelassenen Bereich gezielt Menschen ab 65 Jahren sowie solche aus systemrelevanten Berufen immunisieren: etwa Polizistinnen und Polizisten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Lebensmittelhandel, bei Transportunternehmen und anderen, ebenso Lehrer und Lehrerinnen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kindergärten.

Bürgermeister und große Unternehmen gefordert

Mit einer größer werdenden Zahl zugelassener und ausgelieferter Impfstoffe werde ab dem zweiten Quartal dann Phase drei anfangen: das breite Ausrollen der Aktion in der Gesamtbevölkerung. Hier, so Auer, setze man auf die Bürgermeister sowie auf große Unternehmen als wichtige Kooperationspartner, um Impfstraßen, -zentren und -aktionen zu starten. Die Logistik übernehme der Bund, in Kooperation mit dem Pharmagroßhandel. Schon jetzt würden diesbezüglich aber auch Gespräche mit den Ländern laufen.

Die Impfung werde freiwillig sein, betonte Minister Anschober – wobei er auch klarmachte, was die Alternativen seien: an gefährdeten Orten etwa das Tragen von FFP2-Masken. Ziel sei eine Immunisierung von mindestens 50 Prozent aller in Österreich lebenden Menschen, "mit einem großen Plus dahinter".

Bis dahin werde man Schutz- und Abstandsregeln wohl aufrechterhalten müssen, sagte Maria Paulke-Korinek, ärztliche Leiterin der österreichischen Corona-Impfaktion. Noch sei nämlich nicht klar, ob die gegen eine Erkrankung schützenden Vakzine auch die Weitergabe des Virus von einem Menschen zum anderen stoppen: "Auf diese wichtige Erkenntnis warten wir noch."

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres versicherte in der "ZiB2" am Dienstagabend, dass die Impfstoffe bereits an "Zigtausenden Menschen" ausprobiert worden sind, generell würden nur sichere Produkte zugelassen. Was Skeptiker oder sogar Impfgegner betrifft, baut Szekeres auf Aufklärung. Indirekten Druck über bestimmte Verbote im Fall einer fehlenden Impfung kann er sich nicht vorstellen. Und: "Ich glaube, dass es wenig Sinn macht, eine Impfpflicht auszusprechen."

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EU-Marktmacht gegen Pharmafirmen

Die rasche Impfstoffbeschaffung in der EU und somit auch in Österreich nannte Anschober "eine klare Erfolgsstory". Bereits im Juni sei auf EU-Ebene ein diesbezügliches Steuerungskomitee gegründet worden, um mit den Pharmafirmen im Namen aller Mitgliedsstaaten zu verhandeln. Mit Auer als Chair für die Mitgliedsstaaten habe Österreich dort eine gewichtige Stimme.

So sei es gelungen, "die Marktmacht der EU als weltweit größten Wirtschaftsraum" zu nutzen, um die anfangs sehr hohen Preisvorstellungen der Pharmafirmen zu begrenzen. Die bestehenden Verträge und Vorverträge ermöglichten die ausreichende und gleichzeitige Belieferung der Mitgliedsstaaten – und der Überschüsse an andere, ärmere Staaten.

2,7 Milliarden Euro betrage das EU-Budget für die Corona-Impfstoff-Beschaffung. Die für die Impfaktion in Österreich vom Gesundheitsministerium veranschlagten 200 Millionen Euro sollen dem Ministerrat am Mittwoch vorgelegt werden. (Irene Brickner, 24.11.2020)