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Überwachung

Was der Geheimdienst der DDR mit dem Sport zu tun hatte

Mielke schwenkt eine Freundschaftsfahne "25 Jahre Dynamo DDR – Dynamo UdSSR", 1970er Jahre

Mielke schwenkt eine Freundschaftsfahne "25 Jahre Dynamo DDR – Dynamo UdSSR", 1970er Jahre

Dresden. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war der Geheimdienst der DDR. Seit 1957 stand Erich Mielke als Minister an der Spitze. Doch was hatte dieser Apparat mit dem Sport allgemein zu tun und speziell mit Dynamo Dresden? Was sorgt aktuelle für so viel Aufregung rund um den Verein?

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Die Stasi mag manchem als „Staat im Staate“ erschienen sein, ihrem Selbstverständnis nach sah sie sich aber eindeutig als „Schild und Schwert der Partei“. Gemeint ist damit die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED). Bei der SED saß Mielke im Politbüro, dem obersten Führungszirkel, von der SED kamen die grundsätzlichen Aufträge.

Stasi agierte auf mehreren Ebenen

So agierte die Stasi bei Dynamo gleich auf mehreren Ebenen. 1953 war die Sportvereinigung Dynamo gegründet worden, von Anfang an war Erich Mielke (zunächst noch stellvertretender MfS-Chef) ihr 1. Vorsitzender.

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Aus dieser Vergangenheit stammt das weiße „D“ im Vereinslogo. Die Stasi leistete als sogenanntes „Trägerorgan“ einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der SV Dynamo, zu der neben dem Fußball auch noch viele andere Disziplinen gehörten wie Eishockey oder Biathlon. Die übrigen, in diesem Fall weitaus geringeren Gelder kamen vom Zoll und von der Polizei.

Dynamo-Spieler in Dresden waren VP-Offiziere

Die Nationale Volksarmee als weiteres „bewaffnetes Organ“ der DDR hatte ihre eigene Sportvereinigung („Vorwärts“). Dem Ableger der SV Dynamo im Bezirk Dresden stand der Bezirkschef der Volkspolizei (VP) vor. Dynamo war praktisch eine Dienststelle der Polizei, alle Spieler hatten Dienstgrade. Eduard Geyer beispielsweise war zuletzt Major der Volkspolizei.

Die Stasi fungierte zudem als eine Art Sponsor, wie man heute sagen würde. Sie stand den Spielern bei allerlei Problemen hilfreich zur Seite, ob das der Erwerb eines Autos war, die Suche nach einer Wohnung, die Beschaffung eines Telefonanschlusses, eines Jobs für die Spieler-Frau oder ein Urlaubsplatz. Vieles davon mag heute banal erscheinen, war aber in der DDR viel schwerer zu bekommen als das mittlerweile der Fall ist (Telefon, Auto). In dieser gönnerhaften Rolle gefielen sich Stasi-Offiziere wie der Chef der Dresdner Bezirksverwaltung, Generalmajor Horst Böhm, auch immer dann, wenn es mal wieder gelungen war, den BFC Dynamo, die Lieblingsmannschaft von Stasi-Chef Mielke, zu schlagen.

Geheimdienst entschied über Auslandsreisen

Meistens standen politische Fragen im Vordergrund. Die Stasi hatte ständig mitzureden, wenn es darum ging, Spieler, Trainer, Mitarbeiter oder Funktionäre bei Dynamo als „Reisekader“ zu bestätigen. Die Stasi hob oder senkte also den Daumen, wenn zu entscheiden war, wer ins Ausland reisen darf, vor allem natürlich in das kapitalistische.

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Niemand sollte dem Ansehen der DDR beispielsweise durch eine Flucht in den Westen schaden, sondern jeder Sportler hatte die vermeintliche Überlegenheit des ersten Arbeiter- und Bauernstaats auf deutschem Boden repräsentieren. Daher wuchs das Interesse der Stasi an den Dynamo-Spielern auch besonders, als die Mannschaft (ein Verein im heutigen Sinne war es damals nicht) verstärkt im Europapokal zu Auslandseinsätzen kam. Und hier kam ein Apparat zum Einsatz, der vielen erst nach der Wende richtig bekannt geworden sein dürfte.

Polizeizugehörigkeit und offizielle Stasi-Nähe wird den meisten im Umfeld von Dynamo nicht entgangen sein. Welche Machenschaften jedoch im Verborgenen liefen und wie viele DDR-Bürger darin verwickelt waren, das trat erst nach der Wende zutage.

Viele Stasi-Zuträger bei Dynamo Dresden

Als die Auslandsauftritte bei Dynamo Dresden zunahmen, schaltete die Stasi – die in der DDR zuletzt etwa 91000 hauptamtliche Mitarbeiter hatte – ihren Spitzelapparat ein.

Zuletzt stützten in der ganzen Republik etwa 173 000 Menschen als inoffizielle Mitarbeiter dieses System und bespitzelten in unterschiedlicher Intensität Menschen in ihrem privaten oder beruflichen Umfeld. Von 72 Spielern, die zwischen 1978 und 1989 für Dynamo wenigstens einmal auf dem Platz standen, wurden 18 – also jeder vierte – als inoffizielle Mitarbeiter von der Stasi geführt, ergaben die Recherchen für das Buch "Mielke, Macht und Meisterschaft" (Ch.Links-Verlag). Geheime Stasi-Zuträger bei den Medizinern und SGD-Funktionären komplettierten den Spitzel-Einsatz.

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Einige sahen sich durch Druck zum Belauschen ihrer Freunde und Bekannten gezwungen, andere waren zu einfach gestrickt und wiederum andere suchten ihren persönlichen Vorteil in einem solchen Vertrauensbruch. Starke Charaktere haben sich dem System verweigert.

Spitzeberichte konnten vernichtend sein

Klaus Sammer, Dieter Riedel und Hans-Jürgen Kreische erzürnt heute besonders, wie abfällig sich Eduard Geyer als IM "Jahn" über sie äußerte, obwohl er aus jahrelanger Erfahrung wissen musste, dass es für einen DDR-Bürger ein vernichtendes Urteil ist, wenn ihm "politische Schwächen" nachgesagt werden. Sie wollen nicht mehr als Ehrenspielführer bei Dynamo Dresden mit Geyer auf eine Stufe gestellt werden. Grundsätzlich konnte sowieso nie jemand genau wissen, was die Stasi aus den Informationen macht, die ihre zugetragen wurden. Unter den Fans gibt es eine lebhafte Diskussion über die akutellen Vorgänge bei Dynamo Dresden.

Zurückgeblieben sind von den Machenschaften des Geheimdienstes heute unter anderem weit über 100 Kilometer Stasi-Akten. Bürgerrechtlern erkämpfte deren Offenlegung nach der Wende. Erst damit wurde das ganze Ausmaß der Spitzelarbeit offenbar. Klar ist allerdings, dass es sich dabei nicht um unabhängige Geschichtsschreibung handelt, sondern von der Stasi für ihre Zwecke angelegte Akten.

Von Ingolf Pleil

DNN

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