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Jede Sekunde ein neuer Kubikmeter

Von Mathias Ziegler

Wald

Österreich ist im Vergleich zur Staatsfläche eines der waldreichsten Wälder Europas, Tendenz leicht steigend.


Österreich hat sehr viel Wald. Genau genommen ist es mit 47,6 Prozent der Staatsfläche – gemeinsam mit Slowenien, Finnland und Schweden – eines der waldreichsten Wälder Europas. "Wir haben seit Jahren sogar eine zunehmende Bewaldungstendenz", erklärt Johannes Schima, Leiter der Abteilung III/4 (Forstliche Raumplanung und nachhaltige Entwicklung der Waldressourcen) im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. In absoluten Zahlen sind es etwa 3,4 Milliarden Bäume auf fast vier Millionen Hektar. Den Löwenanteil unter den 65 verschiedenen Baumarbeiten stellen die Fichten mit 51 Prozent; 10 Prozent sind Buchen, 5 Prozent Kiefern. "Aus forstpolitischer Sicht ist die Waldausstattung sehr zufriedenstellend", meint Schima. "Man muss allerdings regional differenzieren. In Ostösterreich wird um jeden Quadratmeter gekämpft." Gleichzeitig ist allerdings Lilienfeld (Niederösterreich) der waldreichste Bezirk Österreichs.

Rund 300.000 Menschen in 172.000 Betrieben beziehen in Österreich ihr Einkommen aus dem Wald- und Holzsektor, den jährlichen Produktionswert beziffert Schima mit rund zwölf Milliarden Euro. Mit rund vier Milliarden Euro Handelsüberschuss pro Jahr ist die Forst- und Holzwirtschaft Österreichs zweitgrößter Devisenbringer nach dem Tourismus. Mit rund fünf Millionen Kubikmetern ist Österreich der weltweit siebentgrößte Exporteur von Nadelschnittholz – rund 60 Prozent der heimischen Schnittholzproduktion gehen ins Ausland. Umgekehrt ist Österreich mit 6,2 Millionen Festmetern der zweitgrößte Rundholzimporteur nach China. Die hohen Importzahlen ergeben sich auch daraus, dass viele grenznahe Sägewerke regionales Holz aus dem nahen Ausland beziehen. Allgemein lässt sich sagen, dass die heimischen Betriebe Rohholz importieren und Veredelungsprodukte – wie Brettschichtholz (Leimbinder), Brettsperrholz oder Holzkonstruktionen – exportieren. Wichtige Zielländer sind etwa Italien oder die Levante.

Nachhaltige Forstwirtschaft seit 300 Jahren

Im Forstgesetz ist im Sinne der Nachhaltigkeit vorgeschrieben, dass jede Waldfläche, die genutzt wird, auch wieder aufgeforstet werden muss. "Jede Sekunde wächst in Österreich etwa ein Kubikmeter Holz nach", so Schima. Seit Beginn der Erhebungen in den 1960er Jahren lag die Holznutzung immer unter dem Zuwachs. "Hier haben wir noch Spielraum nach oben, auch wenn es eine gewisse Deckelung gibt, weil ja der Wald im Zuge der Klimaschutzverhandlungen auch als CO2-Senke bewertet wird." Der Nutzungsrahmen beträgt etwa 21 Millionen Festmeter Holzernte. "Papierindustrie und Biomassekraftwerke meinen aber, dass sie durchaus noch drei bis vier Millionen Festmeter mehr verarbeiten könnten", berichtet der Abteilungsleiter. Ab einem halben Hektar braucht man für die Fällung von Bäumen eine Bewilligung, "ab zwei Hektar ist es grundsätzlich überhaupt verboten.". Die Nachhaltigkeit wurde übrigens vor mehr als 300 Jahren in der Forstwirtschaft erfunden: Als Basis dafür gilt das 1713 von Hans Carl von Carlowitz verfasste Standardwerk "Sylvicultura oeconomica", eine "haußwirthliche Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht".

Heute dient in Österreich die Waldstrategie 2020+ als Leitlinie für das kurz-, mittel- und langfristige forstpolitische Geschehen. Sie umfasst 49 strategische Ziele und zahlreiche konkrete waldpolitische Stoßrichtungen. Erarbeitet wurde sie im Rahmen des Österreichischen Walddialogs von 85 Organisationen (Waldeigentümer, Nutzungsberechtigte, Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen, Gebietskörperschaften) in einem offenen, kontinuierlichen und partizipativen Prozess, der 2001 ins Leben gerufen wurde. 2005 wurde in diesem Rahmen das erste Österreichische Waldprogramm verabschiedet, auf das die Waldstrategie 2020+ aufbaut.

So vielfältig wie die Teilnehmer am Walddialog sind die Besitzverhältnisse in Österreich: 82 Prozent der heimischen Wälder sind in Privatbesitz, die rund 145.000 Waldbesitzer sind vorwiegend Familienforstbetriebe. 15 Prozent gehören den Österreichischen Bundesforsten, 2 Prozent sind Gemeindewälder, 1 Prozent ist in Landesbesitz. Eine Aufteilung, sie Schima gar nicht schlecht findet: "Auch als Vertreter der öffentlichen Verwaltung sage ich sehr gerne, dass privates Eigentum ein starker Schutz für den Wald ist", stellt Abteilungsleiter Schima fest. Die heimischen Waldbesitzer schauen also auf den Erhalt ihres Eigentums.

Rund 830.000 Hektar Wald – also 21,5 Prozent der Gesamtwaldfläche – sind naturschutzrechtlichen Schutzgebieten zugeordnet. Echter Urwald im Sinne von reinen Wildniszonen ist zwar nur noch auf wenigen kleinen Flächen zu finden. "Aber eine Studie hat ergeben, dass zwei Drittel des österreichischen Waldes naturnah sind. Das ist eigentlich ein guter Wert." Immer wieder wird kritisiert, dass die Fichte als "Brotbaum" der Holzindustrie zu stark verbreitet worden sei und nun in Regionen wachse, in die sie nicht hingehöre. Schima sagt dazu: "Wir haben unter 300.000 Hektar standortfremde Baumbestände, das ist also durchaus überschaubar." Im Bergland sind die Nadelwälder dominant, weiter nach Osten nehmen die Laub- und Mischwälder zu. "Da gibt es auch Sündenfälle, das muss man ganz offen sagen. Da gibt es zu viele Nadelbestände. Wir mussten aber leider auch die Erfahrung gemacht: Bei starken Orkanen fällt auch der Naturwald, da merkt man keine Unterschiede." Wichtig für die Sturmresistenz ist eher, dass der Durchmesser der Bäume zur Höhe passt, "da muss man entsprechende Bewirtschaftungsmaßnahmen setzen".

Wetterextreme und Borkenkäfer als Problem

Neben Stürmen ist es vor allem der Borkenkäfer, der den Förstern in Zeiten des Klimawandels Sorgen bereitet. "Er profitiert von den verschwimmenden Jahreszeiten", erläutert Schima. "Wenn die Jahreszeiten stärker ausgeprägt sind, hat er weniger Generationen." Bleibt aber etwa ein harter Winter aus, kann ein Borkenkäfer fünf oder gar sechs Generationen in einem Jahr haben. "Da kommt man von einem Mutterkäfer mit 32 Nachkommen gleich einmal in die Millionen-Dimension. Das ist dann durchaus erschreckend." Auch Wetterextreme wie besonders lange und stark ausgeprägte Trockenperioden schaden den Wäldern. "Da sinkt die Resistenz der Bestände. Und da sind dann die Schäden durch Sturm oder Borkenkäfer noch größer. Man kann in der Regel sagen: Die durch den Sturm anfallende Schadholzmenge verdoppelt sich durch das nachfolgende Auftreten von Schadorganismen."

Österreichs Wälder spielen auch für die Energiewende eine große Rolle. Was im Sägewerk nicht zu Schnittholz verarbeitet werden kann wird in Biomasse-Kraftwerken verheizt oder als Rohstoff in der Platten- und Zellstoffindustrie verwendet. Was Schima am Holz besonders interessant findet, ist der sehr hohe stoffliche Nutzungsgrad. "Das sind beim Holz 75 bis 80 Prozent – im Gegensatz zu Erdöl, wo nur rund 10 Prozent stofflich genutzt werden. Schima führt an: "Die nachhaltige Nutzung von Holz ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, da das im Holz gespeicherte CO2 langfristig gebunden wird und andere CO2 intensive Bau- und Werkstoffe substituiert werden können. Am Ende jedes Produktlebenszyklus sorgt ein Holzprodukt außerdem für wohlige Wärme." Durch eine aktive nachhaltige Bewirtschaftung geht es dem Wald in Österreich gut und er kann seine vielfältigen Leistungen auch den kommenden Generationen zu Verfügungen stellen.

Dieser Artikel ist auch im "Wiener Journal" vom 9. März 2018 erschienen.

Mehr zum Thema in unserem Dossier WALD.

Siehe auch unseren Ausflug in den Urwald Rothwald in Niederösterreich