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Besser gar kein Job als der falsche

Von Monika Köppl-Turyna

Gastkommentare
Monika Köppl-Turyna ist Ökonomin und Direktorin des Forschungsinstituts Eco Austria.

Es spricht einiges für ein degressives Arbeitslosengeld. Das alleine wird allerdings nicht reichen, wenn es keine neuen Jobs für Arbeitslose gibt.


In der letzten Woche wurde erneut über eine Reform des Arbeitslosengeldes diskutiert. Die finanzielle Unterstützung fällt in Österreich zu Beginn der Arbeitslosigkeit tatsächlich eher niedrig aus. Dafür kann sie aber lange auf konstantem Niveau bezogen werden. In anderen entwickelten Ländern, vor allem in den skandinavischen Staaten, ist das anders.

Bei der Gestaltung eines Arbeitslosengeldes müssen mehrere Komponenten berücksichtigt werden: Es soll ein würdiges Leben ermöglichen, genug Anreiz bieten, sich um eine neue Beschäftigung zu bemühen, und die neue Stelle soll dann zu dem Suchenden auch möglichst gut "passen". Diese Anforderungen unter einen Hut zu bringen, ist eine Aufgabe, mit der sich die Forschung intensiv auseinandersetzt. Dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Dauer der Arbeitslosigkeit und der Zeit, in der das Arbeitslosengeld abschlagsfrei bezogen werden kann, liegt auf der Hand. Viel wichtiger aber ist die Frage, ob eine längere Zeit der finanziellen Unterstützung auch dazu führt, dass ein möglichst gut passender Job gefunden wird - etwa, weil Arbeitslose nicht dazu gezwungen sind, das erstbeste Angebot sofort anzunehmen.

Zu dieser Frage ist die Literatur weniger klar. Eine Mehrheit der Studien berichtet, dass die Länge des Bezugs von Arbeitslosengeld keine Auswirkungen auf die Qualität des nächsten Jobs habe. Einige berichten von einem negativen Zusammenhang. Eine prominente Ausnahme bildet eine Studie aus Österreich, die zeigt, dass ein um neun Wochen längerer Bezug von Arbeitslosengeld zu einem um 0,5 Prozent höheren Gehalt führt. Dieselbe Studie erklärt auch den scheinbaren Widerspruch in der Literatur: Eine längere Arbeitslosigkeit führt möglicherweise zu einem besseren "Match", also einer hohen Übereinstimmung von Anforderung und Qualifikation sowie zu einem höheren Lohn. Die Dauer der Arbeitslosigkeit kann aber auch zu einer Abwertung der Qualifikation und zur Stigmatisierung beitragen, was den künftigen Lohn wiederum sinken ließe.

Hier kommt nun das Modell des degressiven Arbeitslosengeldes ins Spiel, mit dem es zu Beginn der Arbeitslosigkeit mehr und über die Zeit hinweg immer weniger finanzielle Unterstützung geben würde: Zwei weitere Studien, die die Einführung des degressiven Arbeitslosengeldes unter der sozialdemokratischen Regierung in Ungarn analysieren, kommen zu dem Schluss, dass sich u.a. die Suchintensität verbessert habe: Die Dauer der Nichtbeschäftigung sank im Schnitt um zwei Wochen, die Wiederbeschäftigungslöhne stiegen um 1,4 Prozent - was gegen einen "schlechten Match" spricht. Sie zeigen weiters, dass eine kürzere Dauer der Arbeitslosigkeit eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes am Anfang der Arbeitslosigkeit kostenneutral ausgleichen kann.

Es spricht also einiges für ein degressives Arbeitslosengeld. Das alleine wird allerdings nicht reichen, weil die Zahl der offenen Stellen durch die Corona-Pandemie sehr stark gesunken ist. Es braucht deshalb auch Unterstützung bei der Schaffung neuer Jobs. Denn selbst die besten Anreize für Arbeitslose helfen nicht, wenn es einfach keine neuen Arbeitsplätze gibt, auf die sie sich bewerben könnten.

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