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Der ORF darf nicht zur ÖBAG werden

Von Beate Meinl-Reisinger

Gastkommentare
Beate Meinl-Reisinger ist Klubobfrau der Neos.

Ein modernes Medienhaus braucht moderne Strukturen.


Der ORF steht vor der großen Herausforderung, sich zukunftsfit aufzustellen - Stichwort Digitalisierung. Um im Umfeld des 21. Jahrhunderts noch seinem öffentlichen Auftrag nachkommen zu können, muss der ORF sich allerdings grundlegend erneuern. Zu dieser Erneuerung zählt auch und gerade eine strukturelle Neuordnung: Die Zeiten politischer Einflussnahme auf den Sender über parteipolitisch gelenkte Stiftungsräte müssen vorbei sein. Wenn der ORF ein modernes Medienhaus werden will, dann braucht er auch moderne Führungsstrukturen. Dem zugrunde liegen die fundamentalen Fragen, welchen öffentlichen Wert - welchen Public Value - der öffentlich-rechtliche Rundfunk zur Verfügung stellen soll und ob der ORF in seiner aktuellen Gestalt dieser Aufgabe nachkommen kann.

Für eine lebendige Demokratie ist eine mündige, gebildete und informierte Bevölkerung dringend notwendig. Essenziell für eine solche Bevölkerung ist der niederschwellige Zugang zu professionell und neutral aufbereiteter Berichterstattung über Politik, Gesellschaft und Kultur. Wer dies als eine Voraussetzung für eine moderne Demokratie akzeptiert, kommt nicht umhin, sich mit der Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Überbringer dieser Informationen auseinanderzusetzen und diesen als wichtige Säule unserer Demokratie zu akzeptieren. Die genaue Formulierung dieses öffentlichen Auftrags sollte in einem breiten Diskurs festgesetzt werden, um ein klares Ziel für den ORF festzumachen.

Eines ist allerdings schon jetzt klar: Die veraltete Silostruktur des ORF, die Abteilungen voneinander isoliert, und die institutionalisierte politische Einflussnahme führen schon seit Jahren dazu, dass Österreichs wichtigstes Medium der Aufgabe des Public Values immer weniger gut nachkommen kann. Wir haben klare Vorstellungen und Konzepte ausgearbeitet, um den ORF grundlegend zu reformieren und transformieren, hin zu einem modernen Medienhaus nach dem Maßstab vergleichbarer, internationaler Unternehmen mit professionellen Governance-Strukturen. Durch einen mehrköpfigen Vorstand, der sich aus (international) qualifizierten, politisch unabhängigen Personen zusammensetzt, kann diese Transformation auch gelingen. Darüber hinaus soll eine Hauptversammlung, bestehend aus gelosten Vertretern der Bevölkerung, Repräsentantinnen und Repräsentanten der Zivilgesellschaft sowie Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien, einen unabhängigen Aufsichtsrat wählen.

Das Fiasko der ÖBAG sollte ein deutliches Warnsignal dafür sein, dass die politische Einflussnahme auf sämtliche staatsnahen Bereiche mit aller Vehemenz zurückgedrängt werden muss. Die parteipolitisch dominierte Wahl des ORF-Generaldirektors ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Wenn der wichtigste Sender Österreichs sich nicht grundlegend erneuert, um seinen öffentlichen Auftrag zu erfüllen, werden wir in nur wenigen Jahren eine bei weitem intensivere Debatte über seine Existenzberechtigung führen müssen. Denn die Marktverzerrungen, die aus jährlich mehr als 600 Millionen Euro an Gebühren resultieren, kann nur ein unmissverständlicher öffentlicher Wert aufwiegen, der in den vergangenen Jahren immer weniger gegeben war.

Jeden Dienstag lesen Sie an dieser Stelle den Kommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.