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Nicht die richtigen Opferbilder?

Von Daniel Brandlechner

Gastkommentare
Daniel Brandlechner ist Doktorand an der Universität Wien und forscht zu Katastrophendiskursen des 21. Jahrhunderts in der Literatur und im Film.
© privat

Warum uns die Waldbrände im Mittelmeerraum nicht emotionalisieren.


Feuer ist eine sehr nützliche Erfindung. Man kann sich daran erwärmen, wenn einem kalt ist, man kann Kaffee oder Tee damit kochen oder einfach nur eine Zigarette anzünden. Wie alle anderen Erfindungen kann aber auch Feuer zu einem unkontrollierbaren Monster werden und Angst und Schrecken über die Welt verbreiten. Dies machen einmal mehr die Waldbrände im türkischen Marmaris, aber auch in Griechenland oder auf Sizilien deutlich.

Auf TikTok kann man aktuell Videos von Menschen am Strand sehen, in deren Hintergrund die Feuer lichterloh wüten und sich weiter durch die bewaldeten Berge in unsere Richtung vorankämpfen. Der Himmel wird von den grau-schwarzen Rauchschwaden verdunkelt, und alles macht insgesamt einen sehr bedrohlichen Eindruck. Dieser Eindruck wird von der Musik nur noch weiter verstärkt, mit der diese Videos unterlegt werden. Trotzdem brechen die Menschen nicht in Panik aus, sondern stehen ruhig und gelassen am Strand. Andere gehen langsam umher, sind in ein Gespräch vertieft, als gäbe es nichts zu beobachten. Wieder andere sitzen oder liegen in ihren Liegestühlen und trinken ein Bier oder eine Aranciata, während sie den immer näher kommenden Feuern zuschauen.

Das Wort Waldbrand klingt zwar dramatisch, aber bei weitem nicht so gefährlich wie das Wort Stadtbrand. Der Waldbrand klingt wie eine drohende, aber noch nicht eingetroffene Gefahr. Dabei wird oft vergessen, dass auch die Wälder ein Zuhause darstellen können. Was ist mit den Menschen, die dort leben? Was mit den Tieren, die ihre Heimat verloren haben? Bei den jüngsten Waldbränden in Australien gingen Fotos und Videos von Feuerwehrmännern um die Welt, die Koalas und Kängurus aus den brennenden Wäldern retteten. Diese Fotos schafften es sogar in die World-Press-Fotoausstellung. Nun kennen die Türkei, Griechenland und Sizilien diese Tiere nur aus Kinderbüchern, nicht aus der freien Wildbahn. Ist das der Grund, warum wir die aktuellen Brände weniger emotional verfolgen? Fehlt es einfach an den richtigen Opferbildern, um aus medialer Aufmerksamkeit rascher internationale Hilfe zu erzeugen und Löschflugzeuge gezielter in Richtung Westbalkan, Mittelmeerraum und besonders in die Türkei zu schicken, wo sie dringend gebraucht werden?