Zum Hauptinhalt springen

70 Jahre Israel. Masel tov!

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

"Gestern nachmittags 15 Uhr proklamierten in Tel Aviv in feierlicher Sitzung die Mitglieder des jüdischen Nationalrates die Geburt des jüdischen Staates", meldete die "Wiener Zeitung" am 15. Mai 1948, einen Tag nach der Proklamation Israels.

Die Zeremonie begann damals mit dem Absingen der Hatikvah, der Nationalhymne. "Die Stimmen waren kaum verklungen, als der weißhaarige Vorsitzende Ben Gurion begann, die Proklamation zu verlesen, die in ein paar Stunden die meisten der Versammelten von Staatenlosen zu stolzen Bürgern verwandeln sollte. Als er die Worte ‚Und damit erklären wir die Schaffung des jüdischen Staates in Palästina - genannt Israel‘ sprach, gab es nicht nur donnernden Applaus, sondern auch nicht wenige feuchte Augen", meldete die "New York Times".

Die Feierlichkeiten zu Israels 70. Geburtstag (die nach dem jüdischen Kalender bereits am gestrigen Mittwoch begannen) sind allerdings von innenpolitischem Streit überschattet: Eigentlich sollte der Sprecher der Knesset (des israelischen Parlaments) Yuli-Yoel Edelstein als Zeichen der Überparteilichkeit die Hauptrolle bei den Feierlichkeiten spielen. Doch Premier Benjamin Netanjahu schaffte es, sich ebenfalls auf die Bühne zu drängen - was Netanjahus politische Gegner einmal mehr verärgerte. Politisch abgebrüht, wie die meisten Israelis heute sind, nehmen sie das freilich mit einem Schulterzucken hin. Man kennt das und feiert trotzdem.

Österreich erinnert Israels 70. Geburtstag daran, dass beide Länder durch ein Band des Schicksals miteinander verknüpft sind. Wien war die wichtigste Wirkungsstätte von Theodor Herzl, der in seinem 1896 erschienenen Werk "Der Judenstaat" die Idee der Gründung eines jüdischen Staates gebar. Wien war aber auch die Stadt Adolf Hitlers. Hier lebte Hitler von 1908 bis 1913 und hier hat sich Hitlers fanatischer Judenhass herausgebildet. Die beiden radikalen Antisemiten, der Politiker Georg Heinrich Ritter von Schönerer und der Wiener Bürgermeister Karl Lueger, dürfen getrost als die geistigen Väter von Hitlers antisemitischen Wahn gelten. Hitlers Massenmord fielen rund sechs Millionen Juden zum Opfer, wer damals nach London, New York, Shanghai oder Palästina flüchten konnte, ist meist nicht mit viel mehr als mit dem nackten Leben davongekommen. Und so ist der Gedanke für Diaspora-Juden in aller Welt, dass sie in dunklen Zeiten auf den Fluchtpunkt Israel vertrauen können, auch heute beruhigend. Das sollten Österreichs Politiker und Bürger nie vergessen. Zugleich liegt es in der Verantwortung Europas, auf eine nachhaltige Friedenslösung zwischen Israelis und Palästinensern hinzuwirken. Denn Israel hat nur dann eine stabile Zukunft, wenn auch die Palästinenser in Sicherheit leben können.