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Jugend hat größere Sorgen als die Pandemie

Von Petra Tempfer

Politik
Die Zufriedenheit der Jugendlichen ist gesunken.
© adobe.stock / moremar; WZ-Bearbeitung

Der Klimawandel stellt für 14- bis 24-Jährige die größte Bedrohung der kommenden 20 Jahre dar.


Welcher Weg ist der richtige? Welche Ausbildung vielversprechend, welcher Beruf gesucht? Und, falls man die Antworten darauf gefunden hat: Wodurch könnte das alles ins Wanken geraten? Aktuell ist die vorrangige Sorge unter den 14- bis 24-Jährigen allerdings nicht das Coronavirus, wie eine Online-Umfrage des Market-Instituts im Auftrag der Allianz ergeben hat, die am Donnerstag präsentiert worden ist. Vielmehr stellt demnach der Klimawandel für die jungen Menschen die größte Bedrohung der kommenden 20 Jahre dar.

Dieser steht laut Umfrage, für die im Mai 800 Jugendliche befragt worden sind, für fast jeden Zweiten an erster Stelle der bedrohlichen Risiken, konkret für 45 Prozent. Die Industrie trage demnach die Hauptverantwortung für diesen. Vor vier Jahren waren es der damaligen Umfrage des Market-Instituts zufolge nur 39 Prozent. An zweiter Stelle folgt die politische Weltlage, danach die Stressbelastung, Arbeitslosigkeit und Verarmung. Die Sorge vor Pandemien ist gegenüber 2017 zwar gestiegen - allerdings von zwei auf aktuell nur 15 Prozent. Die Furcht vor Terror ist trotz des Anschlags am 2. November des Vorjahres in Wien gesunken, genauso wie jene vor Datenmissbrauch.

Frauen sind skeptischer

Fragt man konkret nach Covid-19, so fühlen sich 59 Prozent der Befragten davon bedroht - junge Frauen (63 Prozent) stärker als junge Männer (54 Prozent). Und auch, was die allgemeine Zufriedenheit mit dem Leben betrifft, sind Frauen offenbar vorsichtiger, skeptischer: Insgesamt sind 57 Prozent zufrieden (2017: 69 Prozent, und zwar Frauen und Männer gleichermaßen), geschlechterspezifisch betrachtet aktuell aber nur 49 Prozent der Frauen und 65 Prozent der Männer. Die Zufriedenheit unter den Jugendlichen sinke generell seit Jahren, sagte Stefan Anzinger vom Market-Institut bei der Studienpräsentation. Die Pandemie sei "nur ein Brandbeschleuniger".

Dass der Klimawandel trotz allem die Zukunftssorgen der Jungen dominiert, bezeichnet Bernhard Kittel vom Institut für Wirtschaftssoziologie an der Uni Wien als "vernünftige Einschätzung". Es liege in der Natur der Jugend, an deren Überlebensinstinkt, auch die weiter in der Zukunft liegenden Ziele abzustecken. Die Pandemie erscheint da offenbar kontrollierbarer - oder anders gesagt: die Zuversicht, dass die Politik hier die notwendigen Maßnahmen setzt, größer. Mehr als ein Drittel der im Mai Befragten (38 Prozent) geht davon aus, dass die Pandemie in einem oder zwei Jahren überwunden sein wird.

Unverantwortlichkeit, wie sie bereits Sokrates der "Jugend von heute" attestierte, scheint aber tatsächlich alles andere als das richtige Attribut für diese zu sein: Der aktuellen Umfrage zufolge verspürt jeder Dritte Tatendrang, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Im Jahr 2017 war es noch jeder Vierte. Damals gab es aber auch noch keine Greta Thunberg, die erst 2019 als jugendliche Klimaaktivistin "Schulstreiks für das Klima" initiierte und damit den Grundstein für die globale Bewegung "Fridays for Future" legte.

Die zuletzt stark gesunkene Zufriedenheit ist auch laut Kittel eine Folge der Pandemie. Ein wesentlicher Grund dafür sei das Thema Einsamkeit. Dem Austrian Corona Panel Project der Universität Wien zufolge, dessen Initiator Kittel ist, fühlen sich aktuell nur 30 Prozent der unter 26-Jährigen nie einsam. In einem "normalen" Jahr vor der Krise waren es rund 80 Prozent.

Smartphone als Begleiter

Besonders schwierig sei es für jene, die schon vor der Krise eher isoliert waren und wenige Freunde hatten, sagt Kittel zur "Wiener Zeitung". Früher hatten diese die Gemeinschaft mit Gleichaltrigen vor allem in institutionalisierter Form wie bei den Pfadfindern oder im Tanzkurs gesucht. Also in Institutionen, die während der Pandemie geschlossen, oder in Gruppen, die aufgelöst wurden. Auch die Schule lief im besten Fall nur im Schichtbetrieb oder endete sogar ganz, wenn man während der Pandemie die Pflichtschule abschloss und sich auf der Suche nach seiner weiteren Ausbildung in den luftleeren Raum begab.

Virtuell könnten zwar ebenfalls Kontakte entstehen und aufrecht bleiben, meint dazu Ulrike Zartler vom Institut für Soziologie an der Universität Wien, Jugendliche seien ja gerade auf diesem Gebiet geübt. Den persönlichen Kontakt ersetze das virtuelle Pendant aber nicht. Laut der aktuellen Umfrage ist das Smartphone jedenfalls für 78 Prozent der befragten Jugendlichen die wichtigste Freizeitbeschäftigung. Lesen ist es für nur 33 Prozent.

Und dennoch sieht sich die Generation Corona nicht als verlorene Generation. 35 Prozent blicken laut Umfrage zwar ängstlich in die Zukunft - 27 Prozent aber gelassen, und 26 Prozent sind "glücklich beim Gedanken an die Zukunft". 7 Prozent können diese sogar kaum erwarten.