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Kanzler Kurz im Inseratenstrudel

Von Daniel Bischof und Martin Tschiderer

Politik

Vorwürfe rund um Absprachen mit der Fellner-Gruppe führten zu Razzien bei der ÖVP. Kurz zählt zu den Beschuldigten.


Dubiose Absprachen mit Medienmachern, fragwürdige Inseratenvergaben und Hantieren mit Scheinrechnungen: Mit gänzlich neuen Vorwürfen sah sich am Mittwoch die ÖVP konfrontiert. Klubobmann August Wöginger wies diese scharf zurück: Es gebe immer die gleichen konstruierten Vorwürfe, die einzig das Ziel hätten, der Volkspartei und Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu schaden. Der "Unzahl an falschen Behauptungen" werde man politisch wie juristisch entgegentreten.

Ermittelt wird unter anderem gegen den Kanzler selbst. Nachdem bereits länger Gerüchte im Umlauf waren, kam es am Mittwoch zu mehreren Hausdurchsuchungen. Ins Visier genommen wurde auch das engste Umfeld des Kanzlers: Ziel der Ermittler waren Johannes Frischmann, Pressesprecher von Kurz, Medienbeauftragter Gerald Fleischmann und Kurz-Berater Stefan Steiner. Durchsucht wurden das Kanzleramt und die ÖVP-Bundesparteizentrale. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bestätigte, dass die Ermittler auch im Finanzministerium auftauchten.

Fellner und Karmasin unter den Beschuldigten

Die Razzien betreffen nicht die Causa Casinos oder die Ermittlungen wegen falscher Beweisaussage gegen Kurz. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) untersucht einen neuen Strang: Es geht um Vorwürfe rund um Zeitungsinserate und mutmaßliche Deals mit "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner aus der Zeit, bevor Kurz ÖVP-Bundesparteiobmann und bald darauf Kanzler wurde. Neben Kurz und seinen Vertrauten wird der Ex-Generalsekretär im Finanzministerium und Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid als Beschuldigter geführt.

Auch gegen die Brüder Helmuth und Wolfgang Fellner, einen Mitarbeiter des Finanzressorts sowie gegen zwei Meinungsforscherinnen, darunter Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP), wird ermittelt. Im Raum stehen die Delikte der Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue. Kurz hat sich bisher noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Die Mediengruppe "Österreich" und die Fellner-Brüder dementierten die Anschuldigungen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Der Kern der Vorwürfe: Das Finanzministerium soll Umfragen in Auftrag gegeben haben, die den damaligen Außenminister Kurz ab dem Jahr 2016 im Vorfeld der Übernahme der Parteiobmannschaft vom damaligen ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner in ein günstiges Licht gerückt haben. Sie sollen aus Steuergeldern finanziert worden sein. Abgerechnet wurde laut der WKStA vom Finanzressort allerdings mittels Scheinrechnungen, auf denen statt der Umfragen Studien des Ministeriums angegeben wurden. In der Beantwortung parlamentarischer Anfragen durch den damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) für den entsprechenden Zeitraum scheinen entsprechende Studien allerdings nicht auf.

Veröffentlichungen in Zeitung "Österreich"

Die Tageszeitung "Österreich" soll die Umfragen abgedruckt haben. Im Gegenzug dafür und eine günstige Berichterstattung gegenüber der ÖVP soll eine Vereinbarung über Inserate in Höhe von über 1,1 Millionen Euro getroffen worden sein, so der Vorwurf. Tatsächlich dürfte es beim Betrag eine Verwechslung gegeben haben: An "Österreich" flossen, wie auch eine Überprüfung der Apa ergab, 800.000 Euro. Die Fellner-Gruppe gab an, dass es zu keinem Zeitpunkt eine Vereinbarung über eine Bezahlung von Umfragen durch Inserate gegeben habe.

Im Pressefoyer nach dem Ministerrat am Mittwoch bemühten sich Blümel und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), das große Thema der vergangenen Tage, die Steuerreform, auf dem Tapet zu halten. Die anwesenden Journalisten wollten aber Auskunft zu den Hausdurchsuchungen. Die Razzia im Finanzministerium habe weder seine Person noch seine Amtszeit betroffen, weswegen er dazu nicht detailliert Stellung nehmen könne, so Blümel. Er wisse aber aus eigener Erfahrung, wie unangenehm es sei, von einer Hausdurchsuchung betroffen zu sein, wenn man ein "reines Gewissen" habe.

Ob er die Ansicht des ÖVP-Abgeordneten Andreas Hanger teile, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ideologisch motivierte Gründe hätten, wollte Blümel auch auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" nicht beantworten. Jeder, der sich in einem Rechtsstaat ungerecht behandelt fühle, habe aber das Recht, dies öffentlich kundzutun, so Blümel.

Opposition beantragt Sondersitzung

Kogler betonte die Unabhängigkeit der Justiz, die "richtigerweise ermitteln" solle und werde. "Wir werden unseren Beitrag leisten, dass sie unabhängig ermitteln kann, aber keine politischen Zurufe machen." Angriffe aus der Politik auf die Justiz seien zurückzuweisen, "wenn es um Generalanschuldigungen geht", so Kogler. Gefragt, wie sehr die Attacken auf die Justiz aus den Reihen der ÖVP die Koalition belasten würden, sagte Kogler, der Maßstab werde die Handlungsfähigkeit der Regierung sein: "Die halten wir für voll gegeben."

Für FPÖ-Chef Herbert Kickl ist der Rücktritt des Kanzlers "überfällig". "Das türkise Kartenhaus bricht krachend zusammen", so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos verlangte von der ÖVP, ihr "unwürdiges Beschädigen des Rechtsstaates" einzustellen. Gemeinsam beantragten die Oppositionsparteien eine Sondersitzung im Nationalrat, in der der Kanzler der Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen müsse.

Für eine Ermittlungshandlung hat die Hausdurchsuchung eine ungewöhnliche Genese. Bereits am 28. September erklärte ÖVP-Vize-Generalsekretärin Gabriela Schwarz auf einer Pressekonferenz, wegen möglicher Hausdurchsuchungen in der Parteizentrale besorgt zu sein. Als Grund nannte sie, dass die ÖVP mit Anfragen von Journalisten konfrontiert worden sei, ob es bereits eine Razzia bei der ÖVP gegeben habe. Finden werde man jedenfalls nichts, sollte es zur Hausdurchsuchung kommen, sagte Schwarz. Man sei in der ÖVP schon länger dazu übergegangen, alle Daten regelmäßig zu löschen, zu deren Aufbewahrung man nicht gesetzlich verpflichtet sei: "Es ist nichts mehr da."

Am Mittwoch fand die Hausdurchsuchung statt, nachdem die Gerüchte schon seit längerem im Umlauf waren. Laut Medienberichten dürfte erneut das beschlagnahmte Handy Schmids eine Hauptrolle eingenommen haben. Dort aufgetauchte "Zufallsfunde" aus Handychats lösten demnach die Ermittlungen aus. Beantragt wurde die Hausdurchsuchung von der WKStA jedenfalls bereits am 23. September, wie am Mittwoch bekannt wurde.

Faymann-Ermittlungen wurden eingestellt

Die neuen Vorwürfe sind nicht die ersten ihrer Art. Eine Inseratenaffäre brachte bereits für Ex-Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Ex-Kanzleramtsminister Josef Ostermayr Ungemach. Ihnen war vorgeworfen worden, Druck bei der Vergabe von Inseraten ausgeübt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelte wegen Amtsmissbrauch und Untreue.

Faymann soll sich während seiner Zeit als Infrastrukturminister - Ostermayr war damals sein Kabinettschef - Inserate von der Asfinag und den ÖBB in der "Kronen Zeitung" bezahlen haben lassen, die vor allem Werbung für den Minister dargestellt hätten.

Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren nach langwierigen Ermittlungen im November 2013 ein. Für die Asfinag und ÖBB sei kein Schaden im strafrechtlichen Sinn nachweisbar gewesen. Die Unternehmen seien durch die Werbeeinschaltungen vielmehr in ein positives Licht gerückt worden, so die Ankläger.