Zum Hauptinhalt springen

Kaum in Zahlen gegossene Gleichstellung

Von Martina Madner

Politik

Gender Budgeting ist im Haushaltvoranschlag von 2022 "mangelhaft" umgesetzt - und das nicht zum ersten Mal.


Eigentlich ist Gender Budgeting keine freiwillige Übung beim Erstellen eines Haushalts. Dass unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer in der sogenannten in Zahlen gegossenen Politik Thema sein müssen, ist seit 2009 sogar in der Verfassung festgehalten. In Artikel 13 heißt es da: "Bund, Länder und Gemeinden haben bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben."

Seit 2013 ist im Bundeshaushaltsgesetz darüber hinaus verankert, dass die "tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern" ein "integraler Bestandteil der Haushaltsführung" ist. Trotzdem ist zwar das Budgetkapitel Frauen im Nationalrat Thema, die Landkarte mit den Gleichstellungszielen der Ministerien ist aber nicht als eigener Diskussionspunkt geplant.

Dabei gebe es einiges zu diskutieren, denn nicht nur der Blick von Expertinnen wie Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller und der Sozial- und Wirtschaftswissenschafterin Elisabeth Klatzer auf das Gender Budgeting ist sehr kritisch. Auch die Analyse des Budgetdienstes zum Haushaltsvoranschlag für 2022 fällt nicht gerade positiv aus: Gender Budgeting sei darin "nur in Einzelfällen umgesetzt", und es "betrifft nur wenige Wirkungsziele".

Wenig ambitionierte Ziele ohne konkrete Maßnahmen

Positiv hebt der Budgetdienst hervor, dass im Gleichstellungsziel der Untergruppe 16 "Öffentliche Abgaben", für die Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) verantwortlich ist, vermerkt ist, dass Steuern und Abgaben "positive Erwerbsanreize zur Erhöhung der Erwerbstätigenquote von Frauen und Männern" liefern sollen.

In der sogenannten Landkarte ist aber nachzulesen, dass es sich dabei um die schlichte Beteiligung von Frauen an der Erwerbsarbeit handelt. Ob die Arbeit auch tatsächlich zur finanziellen Absicherung von Frauen beiträgt, spielt keine Rolle. Dabei zeigte die "Wiener Zeitung" erst kürzlich auf, dass Österreich im OECD-Vergleich zwar bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen im guten Mittelfeld liegt. Viele Frauen, insbesondere Mütter, arbeiten aber in Teilzeit: Anders als in Ungarn, Litauen oder Portugal, wo nicht einmal zehn Prozent der Mütter weniger als 30 Stunden arbeiten, sind es in Österreich 56 Prozent. Die unmittelbare Folge davon ist ein geringeres Einkommen, die Spätfolge Frauenpensionen, die nicht vor Armut schützen.

Blümels Gleichstellungsziel wirkt sich also nur bedingt positiv auf jenes von Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) in der Untergruppe 22 "Pensionsversicherung" aus. Demnach soll der Anteil der Frauen über 60, die eine Eigenpension beziehen, erhöht werden. Mit 72,89 Prozent der Frauen über 60 Jahren, die 2020 eine eigene Pension bezogen, wurde das Ziel von 71,5 bereits im vergangenen Jahr übertroffen. Kein Grund offenbar, die Ziele nach oben zu schrauben: 2021 sind es 72,5 und nächstes Jahr 73 Prozent.

Bei den Wirkungszielen ist nicht vermerkt, wie sie erreicht werden sollen - wie also zum Beispiel das Steuersystems zu mehr weiblicher Erwerbsbeteiligung führen soll. Expertin Elisabeth Klatzer erkennt im tatsächlichen Tun sogar Kontraproduktives. Der "Familienbonus", also die Steuerreduktion pro Kind von 1.500 Euro, die Mitte 2022 auf 2.000 Euro erhöht wird, sei zu 80 Prozent ein Gutverdienenden-Väter-Bonus, weil Frauen mit weniger Einkommen ihn gar nicht oder nicht voll ausschöpfen können", sagt Klatzer.

Fehlende Ambitionen, sogar ein "zynisches Vorgehen", kritisierte SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner bereits vor dem aktuellen Budget: Die damalige Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) hatte das Ziel bei der Kinderbetreuungsquote für Kinder unter drei Jahren für 2021 von 34 auf 31 Prozent zurückgeschraubt, weil Frauen krisenbedingt häufiger arbeitslos waren. Die aktuelle Frauen- und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat das Ziel zwar nicht nochmals reduziert, nach oben geschraubt allerdings auch nicht: 2022 bleibt es bei Aschbachers 33 Prozent, die 2023 fortgeschrieben werden.

Wenig Geld für Gleichstellung abseits von Gewaltschutz

Mit 18,4 Millionen Euro erhält die Frauenministerin im kommenden Jahr um 3,75 Millionen Euro, also 25,6 Prozent, mehr Budget als heuer. 5,5 Millionen Euro sind aber fix für den Gewaltschutz reserviert, die Erhöhung ist also diesem Bereich geschuldet. Überhaupt macht Wifo-Budget-Expertin Margit Schratzenstaller darauf aufmerksam, dass "Gleichstellung im Budget 2022 nur im Zusammenhang mit Gewaltschutz und Gewaltprävention explizit erwähnt wird". Nur hier geht es um zusätzliche Gelder: "Bei den großen Projekten aber - der ökosozialen Steuerreform, den Corona-Hilfen oder den Zukunftsinvestitionen - ist Gleichstellung nicht handlungsleitend."

In der Analyse des Budgetdienstes ist folglich viel von "könnte" die Rede: So könnte es eine umfassende Analyse der Gleichstellungslücken geben, Projekte könnten mit Mittel unterfüttert werden. Überhaupt könnten die Maßnahmen "systematisch und konsistent mit den jeweiligen Budgetmitteln und Inhalten dargestellt werden". Genau das aber sieht Österreichs Gender Budgeting im Moment nicht vor.

Der politische Befund gleicht dem analytischen: Gender Budgeting ist laut Neos-Frauensprecherin Henrike Brandstötter bisher "mangelhaft" umgesetzt: "Was fehlt, ist die Verknüpfung mit konkreten Maßnahmen und Ressourcen, überhaupt mangelt es an einer Gesamtstrategie." Genau die vermisst auch Schratzenstaller, sie fragt außerdem: "Wo ist die Koordination zwischen den Ressorts? Wo ist das Leadership in Sachen Gleichstellung?" Aber nicht nur das: "Wo ist die Verantwortung der Männer festgehalten?" Dass sie zugunsten von Frauen auch auf Geld verzichten müssten, ist im Budget kein Thema.