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Impfskepsis hier, Impfstoffmangel dort

Von Martyna Czarnowska

Politik

Regierungen in aller Welt setzen auf Corona-Immunisierung. Die Auswirkungen sind unterschiedlich.


Impfen oder nicht? So gut wie alle Regierungen quer durch die Kontinente lassen keinen Zweifel daran, dass die Antwort darauf Ja ist. Bei der Eindämmung der Corona-Pandemie, die die Zahl der Infektionen weltweit mittlerweile auf mehr als 200 Millionen getrieben hat, setzen sie auf die Immunisierung der Bürger. Mit unterschiedlichen Auswirkungen: Während in manchen Gegenden parallel zum Impfdruck die Skepsis dagegen wächst und sich in Protesten auf der Straße Luft macht, verstricken sich in anderen Staaten Bund und Länder in Zwistigkeiten über Corona-Restriktionen. Wieder andere denken bereits über eine dritte Impfung für die Bevölkerung nach - während woanders Vakzine fehlen.

Im Folgenden eine Länderauswahl:

Deutschland hält an der Drittimpfung fest

Israel hat bereits damit begonnen, und Deutschland will im September starten. Mit einer dritten Impfung sollen vor allem Risikogruppen geschützt werden, wie immungeschwächte Patienten, Höchstbetagte und Bewohner von Pflegeheimen, erklärte das Gesundheitsministerium in Berlin. Deutschland lässt damit Appelle der Weltgesundheitsorganisation WHO verhallen, mit der Verabreichung der dritten Dosis zumindest bis Ende September zu warten. Die Lücke bei der Immunisierungsquote zwischen armen und reichen Ländern sei nämlich noch viel zu groß, mahnt die Organisation. Dem setzt das Ministerium in Berlin entgegen, dass Deutschland bis Jahresende mindestens 30 Millionen Impfdosen für Gegenden spenden will, in denen bisher kaum geimpft wird.

In Frankreich regt sich lauter Protest

Emmanuel Macron wandte sich per Video an seine Mitbürger. Denn auch Frankreich will ab September eine Auffrischimpfung für ältere und besonders gefährdete Menschen durchführen, was der Präsident am Donnerstag verkündete. Doch droht ihm wachsender Widerstand in der Bevölkerung - und der bezieht sich nicht nur auf die Pandemie-Politik. Mehr als 200.000 Menschen gingen zuletzt landesweit auf die Straße, um gegen eine Impfpflicht für Gesundheitspersonal und eine breitere Nachweispflicht zu demonstrieren. Etliche von ihnen sehen sich durch die Restriktionen gegängelt und in ihren Freiheiten eingeschränkt. In den Protesten birgt sich aber auch sozialer Konfliktstoff: Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich in den vergangenen Jahren kaum verkleinert, und das Gefühl wächst, dass Präsident und Regierung zu wenig dagegen unternehmen. Schon werden Parallelen gezogen zur Massenprotestbewegung der Gelbwesten 2018. Ob die aktuellen Unmutsbezeugungen ähnliche Ausmaße annehmen werden, ist offen.

USA: Präsident versus Gouverneure

In den USA spitzt sich der politische Streit auf Bund-Länder-Ebene zu. Präsident Joe Biden verknüpfte die Aussage, dass sich das Coronavirus "wie ein Lauffeuer" unter den Ungeimpften verbreite, mit einem Hinweis auf Bundesstaaten mit geringer Impfquote: Dort sei die Rate der Infektionen "zehn bis zwanzig Mal so hoch" wie in anderen Gegenden. Negativbeispiele nannte Biden auch gleich: Florida und Texas. Nur die zwei allein seien für ein Drittel aller neuen Covid-19-Fälle im ganzen Land verantwortlich. Der demokratische Präsident appellierte an die republikanischen Gouverneure: "Wenn Sie schon nicht helfen, dann gehen Sie wenigstens den Leuten aus dem Weg, die versuchen, das Richtige zu tun." Denn während die US-Administration zum Impfen aufruft, sprechen sich einzelne Regierungspolitiker gegen eine Maskenpflicht - auch für Ungeimpfte - aus.

Italien reduziert Quarantäne für geimpfte Infizierte

Eine Impfpflicht in bestimmten Bereichen - etwa für Lehrerpersonal - steht in Italien im Raum. Außerdem gilt ab dem heutigen Freitag für Besuche in Restaurants, Museen, Fitnessstudios und Schwimmbädern: nur mit Nachweis einer Impfung, Genesung oder eines negativen Corona-Tests möglich. Für Geimpfte soll außerdem die Quarantäne künftig kürzer dauern. Die Isolierung soll sieben statt wie bisher zehn Tage betragen.

Riesige Kluft bei der Verfügbarkeit von Vakzinen

Während sich die westliche Welt immer mehr Impfdosen sichert und die Politik die Bevölkerung zur Immunisierung bewegen möchte, sind in anderen Teilen Vakzine rar. Darauf weisen eben die WHO und andere internationale Organisationen hin. Laut einer auf offiziellen Angaben beruhenden Zählung der Nachrichtenagentur AFP wurden bis Ende Juli weltweit mehr als vier Milliarden Corona-Impfungen verabreicht. In den Ländern, die laut Weltbank-Kriterien die höchsten Einkommen haben, kamen 98,2 Dosen auf 100 Einwohner. In den 29 ärmsten Ländern der Welt fällt diese Rate auf 1,6 pro 100 Einwohner.