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Gemeinsam nutzen, Ressourcen schonen

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft
Jeder hat sie: die Lade, in der Dinge verschwinden, die zwar noch funktionieren, aber nicht mehr genutzt werden. junpinzon / Adobe

Wir kaufen viel mehr, als wir brauchen. Beispiele, wie man nachhaltiger leben kann, ohne auf Konsum zu verzichten.


Geschwisterkinder wissen nur allzu gut, was teilen heißt. Sie teilen sich das Zimmer, die Spielsachen, die Playstation. Die jüngeren bekommen die Bekleidung und die Ski der Älteren "vererbt", und später müssen sie sich am Wochenende um Papas Auto raufen. Mit dem Eintritt ins Erwerbsleben und der heiß ersehnten Erlangung von Kaufkraft gehört das Teilen endlich der Vergangenheit an. Das freut die Konsumgüterindustrie, zumal viele Gegenstände gekauft werden, ohne groß darüber nachzudenken, ob und wie lange sie überhaupt benötigt werden.

Um die nackte Wahrheit zu erkennen, braucht es keine Aufräum- und Entrümpelungsexperten wie Marie Kondo: Wir kaufen mehr, als wir brauchen. Doch es gibt auch Gegenströmungen. Nachhaltig leben, Ressourcen und die Geldbörse schonen, ohne auf Konsum verzichten zu müssen: Das kann man auf viele Arten tun. Zum Beispiel, indem man sich Dinge nicht neu kauft, sondern über die Online-Plattform FragNebenan.at kostenlos ausborgt. Oder Dinge, die man nicht mehr braucht, verschenkt. Wer sich auf der Plattform mit Namen und Adresse registriert, wird mit Usern im Umkreis von 750 Metern vernetzt. Man lernt die Menschen in seinem Grätzl kennen, kann sich austauschen und Hilfe in unterschiedlichen Lebenslagen suchen und anbieten.

Nachbarschaftsnetzwerke in der Stadt und auf dem Land

Von Privatpersonen gegründet und finanziert, ist Fragnebenan.at inzwischen eine GmbH mit Sitz in Wien. Geschäftsführer ist Thomas Heher. Der gebürtige Waldviertler arbeitet eigentlich im Kulturbereich. So hat er unter anderem das Pop-Kulturmagazin The Gap mitbegründet. Um die laufenden Kosten für die Plattform zu decken, integriert er auch lokale Unternehmen, die ein eigenes Geschäftsprofil anlegen können. Auch besteht die Möglichkeit, Kleinanzeigen zu schalten.

Mittlerweile würden sich mehr als 60.000 Userinnen und User in den Städten Wien, Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt über das Nachbarschaftsnetzwerk austauschen, sagt Heher im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der Vorteil: "Durch den festgelegten Suchradius muss man nicht durch die halbe Stadt fahren, um Sachen abzuholen." Auf die Menschen, denen man auf der Plattform begegne, könne man sich grundsätzlich auch verlassen, fügt er hinzu. Und wenn sich Landbewohner ebenso vernetzen wollen? Das geht auch: "Wenn mehr als 50 Personen in einer Gemeinde registriert sind, kann eine neue FragNebenan-Gemeinschaft entstehen", so Heher. Im niederösterreichischen St. Andrä-Wördern etwa sei dies bereits geschehen.

Elektronikgeräte borgt kaum jemand gerne her. Kaufen muss man sie aber auch nicht unbedingt, zumal sie ohnehin oft noch kurzer Zeit in einer Schublade verschwinden, weil schon das neueste Modell auf dem Markt ist. Das deutsche Unternehmen Grover - der Name setzt sich aus "grow" und "over" zusammen - vermietet über 3.000 Laptops, Notebooks, Smartphones, Gaming-PCs und Zubehör wie Bildschirme, Tastaturen, Ladekabel etc. Ab einem Monat Mietdauer ist man dabei.

"Es ist unser Ziel, den traditionellen linearen Konsum von elektronischen Geräten durch Kreislaufwirtschaft zu ersetzen", sagt Grover-CFO Thomas Antonioli. Eine Umfrage des britischen Markt- und Meinungsforschungsinstituts YouGov unter 2.000 Deutschen hat ergeben, dass rund 80 Prozent von ihnen mindestens ein ungenutztes technisches Gerät zuhause herumliegen hat. Jeder Dritte besitzt sogar drei bis fünf Geräte, die er nicht mehr benutzt - eine riesige Menge an verschwendeten Ressourcen. In Österreich dürften die Zahlen ähnlich sein.

Die bei Grover zum Mieten angebotenen Produkte bleiben durchschnittlich drei Jahre im Umlauf und werden in dieser Zeit von vier bis fünf Personen genutzt. Von der Möglichkeit, das Produkt nach Ablauf der Mietdauer zu kaufen, würden nur wenige Kunden Gebrauch machen, so Antonioli. Je älter die Geräte werden, desto günstiger wird die Miete. Lässt sich ein Gerät gar nicht mehr vermieten, wird es an Wiederverkäufer verkauft oder recycelt.

Große Nachfrage nach Hardware für das Homeoffice

Zu Beginn der Corona-Pandemie, als zahlreiche Angestellte ins Homeoffice geschickt wurden, sei die Nachfrage nach Miet-Geräten für mobiles Arbeiten sprunghaft gestiegen. Nicht nur bestehende Kunden hätten aufgerüstet, es seien auch viele Neukunden dazugekommen. "Der Markt war leergekauft", sagt Antonioli. "Wir haben auch Eltern versorgt, die für ihre Kinder Laptops oder Tablets gebraucht haben. Für viele Haushalte ist das ja keine kleine Ausgabe. Da waren viele dankbar, dass sie bei uns ein kleines Tablet günstig mieten konnten."

Auch Spielkonsolen und Geräte zum Eintauchen in die Virtual Reality sind seit dem Ausbruch der Corona-Krise sehr gefragt. Das Grover-Lager befindet sich im norddeutschen Kiel. Von dort werden Konsumenten aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden beliefert. In Deutschland läuft ein weiterer Vertriebskanal über Elektronikfachhändler wie MediaMarkt. In Österreich kooperiert Grover mit Otto Versand.

Waschmaschinen zum Mieten hat Grover noch nicht im Sortiment. Die gibt es beim Wiener Reparatur- und Servicezentrum R.U.S.Z. Im Mietpreis von pauschal 18 Euro pro Monat sind vier Waschgänge in der Woche und eine jährliche Überprüfung, ähnlich wie das "Pickerl" beim Auto, enthalten. Das R.U.S.Z. verpflichtet sich darüber hinaus, das Gerät innerhalb von drei Tagen zu reparieren oder auszutauschen, wenn es kaputt geht. Derzeit sind 50 Miet-Waschmaschinen im Einsatz. Sie stehen bei Menschen, die sich keine hochwertige Waschmaschine leisten können, etwa alleinerziehende Mütter, aber auch vermehrt bei Studenten. Karitative Organisationen wie etwa die Johanniter greifen auch gerne bei Bedarf auf das Angebot zurück.

"Die österreichische Seele ist noch nicht soweit"

Es könnten natürlich mehr sein, sagt Sepp Eisenriegler, Leiter des R.U.S.Z. und seit Jahrzehnten unermüdlicher Kämpfer gegen die geplante Obsoleszenz. "Die österreichische Seele ist noch nicht so weit, sich auf nachhaltigen Konsum umzustellen", bedauert er. Besitz sei nach wie vor das Um und Auf. "In mein Haus kommt nichts, das nicht mir gehört", habe einmal ein Kunde gesagt, dem er das Angebot einer Mietwaschmaschine gemacht habe. So würden hierzulande viele denken. In den Niederlanden und in Belgien etwa würden Miet-Modelle viel besser angenommen.