Zum Hauptinhalt springen

"Das sind keine Beträge, die uns abschrecken"

Von Bernd Vasari

Wirtschaft

Die CO2-Bepreisung ist zu niedrig, sagen Kritiker. Klimaschutzministerin Gewessler verweist auf die soziale Gerechtigkeit.


Wer umweltschädliches Kohlenstoffdioxid (CO2) ausstößt, muss künftig zahlen. So sieht es die ökosoziale Steuerreform vor, die am Sonntag von der türkis-grünen Bundesregierung präsentiert wurde. Ab 1. Juli 2022 sind für jede Tonne CO2 30 Euro fällig. Der Preis steigt in den folgenden Jahren: 35 Euro pro Tonne im Jahr 2023, 45 Euro 2024, 55 Euro 2025.

Der erste Schritt ist nun getan. Nur ist er groß genug, um das Verhalten der Österreicherinnen und Österreicher in Richtung Umweltschutz zu lenken?

Die Steuerreform bringe ein "neues Denken". Umweltfreundliches Verhalten werde günstiger, umweltschädliches teurer, sagt Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). "Es ist ein Megaprojekt", sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) weist darauf hin: "Wer sich bewusst entscheidet, dem Klima zu schaden, werde künftig einen Preis dafür zahlen." Die Regierung zeigt sich also angetan von ihrer Reform, genauso wie Industrie und Wirtschaftskammer.

Kritik kommt hingegen von Umweltschützern, Opposition, NGOs und Ökonomen wie Stefan Schleicher, Volkswirt an der Universität Graz. "Der Preis ist viel zu niedrig angesetzt", sagt er. Er rechnet vor: 30 Euro pro Tonne CO2 bedeuten einen höheren Benzinpreis von rund 8 Cent pro Liter. Bei 12.000 Jahreskilometern wäre das Benzin daher um 100 Euro teurer. Ähnlich sehe es auch bei Diesel, Heizöl und Gas aus.

Und selbst, wenn man gleich mit 55 Euro pro Tonne CO2 begonnen hätte, wäre kaum ein Effekt spürbar. "Im Vergleich zu Versicherungen und laufenden Servicekosten für das Auto, sind das keine Beträge, die uns abschrecken", sagt der Volkswirt.

"Klimaziele sind nicht erreichbar"

Bis 2040 will Österreich klimaneutral sein, bis 2030 sollen etwa 50 Prozent der Treibhausgase verringert werden. "Mit diesem Steuerpaket werden wir diese Ziele aber nicht erreichen", sagt Schleicher.

Auch Wifo-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller prophezeit einen überschaubaren Lenkungseffekt. Mehr Mut hätte sie sich gewünscht, "sowohl was den Einstiegspreis anbelangt als auch den Zielpreis".

"Ein Einstiegspreis von mindestens 50 Euro pro Tonne und ein rascher Anstieg auf über 100 Euro wäre das Minimum eines wirksamen Beitrags zum Klimaschutz gewesen", ist auch Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens, überzeugt. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) verweist auf die weiterhin niedrigen Spritpreise in Österreich im europäischen Vergleich. In Schweden kostet demnach ein Liter Diesel um 51 Cent mehr als in Österreich, in Finnland um 26 Cent, in Belgien um 25 Cent, in Italien um 24 Cent und in den Niederlanden um 23 Cent mehr.

Mit der Einführung einer CO2-Bepreisung steht Österreich nicht alleine da. Bereits seit 1991 werden Abgase in Schweden besteuert. Mit rund 118 Euro pro Tonne CO2 heben die Skandinavier den weltweit höchsten Betrag ein. In der Schweiz wird seit 2008 auf fossile Brennstoffe wie Heizöl oder Erdgas ebenso eine CO2-Abgabe mit derzeit rund 88 Euro erhoben.

Seit Anfang des Jahres gibt es auch in Deutschland eine CO2-Steuer. Sie beträgt 25 Euro und wird im selben Ausmaß wie hierzulande steigen.

Die große Sorge vor den Gelbwesten

In Frankreich gibt es bereits seit 2014 eine CO2-Steuer. Ursprünglich hätte die CO2-Bepreisung bis auf 86 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2022 steigen sollen. Doch es kam zu schweren sozialen Protesten ("Gelbwesten") im Jahr 2018. Der Plan der Regierung wurde daraufhin abgeschwächt. Die Rate wurde bei 45 Euro pro Tonne CO2 für die Jahre 2019, 2020 und 2021 eingefroren.

Es sind soziale Unruhen wie in Frankreich, die auch für die Entscheidungen des CO2-Preises in Österreich relevant waren, heißt hinter vorgehaltener Hand aus den türkis-grünen Verhandlungsteams. So wären etwa 100 Euro, wie von manchen gefordert, eine völlig unrealistische Vorstellung. Das würde zu einem Akzeptanzproblem in der österreichischen Bevölkerung führen.

Auf die soziale Komponente verweist das Büro von Gewessler: "Ein hoher CO2-Preis alleine löst keine Klimaprobleme." Eine Mindestbezieherin aus einer strukturschwachen Region mit Ölheizung spüre etwa jeden Euro, den sie mehr bezahlen muss.

Die Einnahmen durch die Bepreisung werden übrigens an die Bevölkerung in vier Stufen zurückgeführt: 100 Euro, 133 Euro, 167 Euro und 200 Euro pro Jahr und Person. Für Kinder gibt es einen Aufschlag von 50 Prozent. Zusätzlich sollen 500 Millionen Euro in eine Offensive für sauberes Heizen investiert werden, wobei Raus aus Öl und Gas, der Tausch von Heizkesseln und die thermische Sanierung gefördert werden.

Das Prinzip der ökosozialen Steuerreform ist klar: Wer klimafreundlich lebt, soll am Ende finanziell entlohnt werden. Jetzt muss nur noch die Infrastruktur ausgebaut werden: E-Ladesäulen, Bahnverbindungen, grüne Stromanbieter. Damit es auch tatsächlich ein großer Schritt in Richtung Klimawende wird. Aber das ist eine andere Geschichte.